1. Sorcha: Wie es begann
Es
fing alles damit an, dass ich ein Buch fand. Es war ein altes Buch und
halb auf Latein, halb auf Deutsch geschrieben. Ich fand es interessant,
weil es offensichtlich von einer Frau geschrieben worden war, die sich
mit vielen Dingen beschäftigt hatte.
Von
Kochrezepten bis Kräuterkunde war in diesem Buch alles zu finden, was
sie für aufschreibenswert gehalten hatte. Obwohl die Handschrift über
300 Jahre alt war, konnte man sie gut lesen und das Buch hatte noch
seinen ursprünglichen Ledereinband, der sich allerdings langsam in
seine Bestandteile auflöste.
Als
ich eines Abends noch in der Bibliothek saß und den Lesesaal
beaufsichtigte, löste sich auf einmal ein Teil der Buchdecke und fiel
vor mir auf den Tisch.
Erst
erschrak ich, war es doch ein kostbares Stück Geschichte, doch dann sah
ich mir die gebrochene Stelle genauer an. Ein Stück zusammengefaltetes
Pergament steckte darin. Ich zog es vorsichtig heraus und faltete es,
noch vorsichtiger, auseinander.
Als
ich es las, war ich überrascht. Es war, wie ein Brief, direkt an mich
gerichtet. Ich schnappte mir das Telefon und rief sofort meine
Freundinnen an. Dieses Stück Pergament war etwas, was uns einen lang
gehegten Wunsch erfüllen konnte. Ich musste sie unbedingt sofort nach
der Arbeit treffen.
Ich
brachte das Buch in die Buchbinderei, mit einem Zettel auf dem ich mein
Missgeschick erklärte, aber das Pergament steckte ich ein, um es
zuhause komplett zu übersetzen. Mein Latein ist nicht allzu gut (eher
grottenschlecht) aber schließlich schaffte ich es. Jenny und Sam
entschlüsselten mit Hilfe des Internets den restlichen Text.
Vorsichtshalber schrieb ich das Pergament mit der Hand ab und kopierte
es dann noch mal im Copy-Shop um die Ecke.
Leider
war unsere Truppe nicht komplett. Lauren war mit ihrer Mutter im Urlaub
und würde erst in einer Woche nach Hause kommen. Wir beschlossen es
trotzdem zu versuchen und trafen die nötigen Vorbereitungen - alle
zusammen und jeder für sich. Dann schrieb ich einen Brief an Lauren.
Ich wollte nichts offensichtliches hineinschreiben, falls er durch
irgendeinen Zufall in fremde Hände gelangen sollte, trotzdem hoffte
ich, dass er sie auf die richtige Fährte bringen würde. Sie würde uns
folgen können, wenn sie es wollte.
Etwa
eine Woche später trafen wir uns bei mir und gingen dann gemeinsam in
den Park, zu der Stelle die wir ausgesucht hatten. Wir hatten alles für
die Zeremonie besorgt und auch die Dinge die wir mitnehmen wollten. Es
konnte losgehen.
Als
ich erwachte lag ich auf einer Wiese. Ich sah mich um und erschauderte.
Es hatte funktioniert. Mein Gefühl könnte ich nicht beschreiben, es
war irgendetwas zwischen totaler Faszination, Angst, Freude und ungefähr
vierhundert anderen Gefühlen.
Ich
sprang auf und sah mich genauer um. Ich befand mich auf einer Lichtung
mit einem kleinen See. Um die Lichtung stand dichter Mischwald. Es war
warm und die Vögel zwitscherten. Die Sonne stand hoch am Himmel, es
schien Mittag zu sein. Mein Bündel lag neben mir.
Ich
nahm mein Taschenmesser heraus und ging zu dem See um einen Schluck
Wasser zu trinken. Die Sonne warf Lichtreflexe auf das Schilf und einige
Seerosen schaukelten auf dem vom Wind leicht bewegten Wasser. Als ich
gerade überlegte, wo die anderen sein könnten, und in welche Richtung
ich weitergehen sollte, bemerkte ich etwas seltsames ein paar Meter
entfernt. Es sah aus wie ein sehr strubbeliger Hase, bewegte sich aber
nicht. Ich sprach es an.
“Hallo?”
Der “Hase” richtete sich auf und sah mich an. Sah aus wie ein
kleiner Troll.
“Hallo.
Kann ich dir helfen?”
Oh,
das war aber ein netter Kerl. “Ich suche meine Freundinnen. Sie müssten
auch gerade angekommen sein.”
“Hier
sind sie nicht. Aber es kann auch sein, dass sie erst später kommen.
Wolltet ihr euch an der gleichen Stelle treffen?”
Oh,
böse Falle! Daran hatte ich nicht gedacht. Wir hatten die Orte nicht
abgesprochen. Sie konnten sonst wo sein. “Äh...”
“Also
nicht.”
Ich
schüttelte den Kopf. “Was soll ich jetzt machen?”
“Hier
kannst du nicht bleiben. Wenn du mit ihnen zusammen sein willst, musst
du sie eben suchen. Geh am besten in die Richtung.” Er zeigte auf
einen kaum sichtbaren Weg, der zwischen den Bäumen begann.
“Ich
danke dir, gibt es sonst noch etwas was ich wissen sollte?”
“Verrate
deinen wahren Namen nicht. Denk dir einen anderen aus und zeige deine Fähigkeiten
nicht jedem. Auch hier werden Leute getötet, weil sie seltsame Dinge können
oder weil sie jemandem in der Sonne stehen.”
“Danke
auch für diesen Rat. Könntest du meinen Freundinnen sagen in welche
Richtung ich gegangen bin, falls du sie siehst?” Ich beschrieb im
Jenny, Lauren und Samantha.
“Kein
Problem. Ich sage es ihnen. Ich wünsche dir eine gute Reise und ein
langes Leben.”
“Vielen
Dank. Möge dir das Schicksal wohlgesonnen sein.” Ich schulterte mein
Bündel und ging in die Richtung, die er mir gezeigt hatte.
2. Sorcha:
Das Einhorn
Sorcha
folgte dem kaum wahrnehmbaren Weg, der sie tiefer in den Wald führte.
Sie sah sich genau um und achtete auf ihre Umgebung. Einige Pflanzen
waren ihr bekannt und auch die meisten Bäume konnte sie bestimmen. Ab
und zu liefen ihr Tiere über den Weg und über ihr zwitscherten die
ganze Zeit die Vögel. Das schattige aber dennoch warme Klima im Wald
empfand sie als angenehm und sie kam gut voran.
Als
sie bemerkte, dass ihre Wasserflasche ein leerer Anachronismus geworden
war, sah sie sich nach einer Quelle um. Fast den ganzen bisherigen Weg
hatte sie vor sich hergesummt, nun stand sie still und lauschte in den
Wald. Sie hörte nichts besonderes, also setzte sie ihre Reise fort und
hielt nur ab und zu, zum Lauschen, an.
Irgendwann
meinte sie ein leises Plätschern zu hören und folgte diesem Geräusch
zu einer kleinen, dunklen Quelle.
Ich
war froh endlich Wasser gefunden zu haben. Nachdem ich etwas Wasser aus
dem kleinen Quellbecken geschöpft hatte, überlegte ich, was ich weiter
tun sollte. Ich beschloss dort zu übernachten und suchte mir ein
trockenes Plätzchen und einige Steine als Lagerfeuerbegrenzung. Dann
packte ich einen Topf aus und entfachte ein Feuer. Aus Erfahrung wusste
ich, dass es besser für mich war abgekochtes Wasser mitzunehmen. Außerdem
kochte ich etwas Tee und aß ein paar Kekse. Der Boden war trocken und
ich suchte mir etwas Moos, weil ich darauf schlafen wollte. Als das
Wasser kochte, füllte ich es in meine Flasche. Ich nahm mir fest vor
bei Sonnenaufgang aufzuwachen, deckte meine Wolldecke über mich und
schlief bald ein.
Geweckt
wurde ich von einem Vogel der genau über meinem Kopf den Morgen begrüßte.
Ich blieb noch ein paar Minuten liegen und streckte mich dann genüsslich.
Das Moos hatte ich über Nacht plattgelegen und mein Feuer war
ausgegangen. Ich stand auf und suchte mir etwas zum Frühstücken. Dabei
sang ich – wie immer, wenn ich allein war.
Als
sie singend an der Quelle saß und Wasser in einen Topf schöpfte, hörte
sie hinter sich ein Rascheln. Sie drehte sich um und traute ihren Augen
nicht. Da stand ein großes weißes Einhorn. Ihr stockte der Atem und
sie hörte auf zu Singen. So leise wie möglich stand sie auf und wich
ein paar Schritte zurück. Dann kniete sie sich hin und wartete ab.
Ich
kann gar nicht beschreiben was mir in diesem Moment alles durch den Kopf
ging. Gut, böse, lieb, wütend? Ich sah es mir aus halbwegs sicherer
Entfernung genau an. Wäre es ein Pferd, hätte seine Körperhaltung
eine gewisse Neugier angedeutet.
Das
Einhorn starrte mich an und ging dann einige Schritte auf die Quelle zu.
Dann sah es noch mal in meine Richtung, bevor es sich zum Trinken
hinunterbeugte.
Es
sah einfach toll aus. Wie ein sehr großer Andalusier mit einem Horn.
Als es fertig war, trat es einige Schritte zurück und starrte mich
weiter an. Ich stand langsam auf und schlich zentimeterweise zu ihm hin.
Dabei redete ich leise auf das Einhorn ein. Es bewegte sich nicht und
ließ zu, dass ich die Hand ausstreckte und seinen Hals streichelte. Fühlte
sich an wie Pferd.
Auf
einmal schnaubte es, sprang zurück und lief in den Wald davon. Ich
blieb wie angewurzelt stehen und blickte ihm hinterher. Irgendwann
raffte ich mich auf und ging zurück zu meinem Lager.
Das
Paket mit den Keksen war aufgerissen und sie verteilten sich rund um
meinen Rucksack. Ich sammelte sie ein, wischte sie ab und kochte mir
meinen Frühstückstee. Dazu aß ich mein restliches Brot. Dann packte
ich meine Sachen zusammen und ging noch mal zu der Quelle, um meinen
Topf abzuwaschen. Natürlich singend.
Auf
einmal raschelte es erneut hinter mir. Ich drehte mich um und da stand
es doch tatsächlich wieder. Ich ging noch einmal sprechend auf das
Einhorn zu und es ließ sich wieder anfassen. Ich griff in meine Tasche
und bot ihm einen Keks an und – es fraß ihn.
Irgendwann
holte ich mein Bündel, packte den Topf hinein und schnallte es auf
meinen Rücken. Das Einhorn hatte gewartet und stupste mich an als ich
zurückkam. Dann ging es langsam weg, blieb aber bald stehen und drehte
sich nach mir um. Es schnaubte.
„Soll
ich mitkommen?“ fragte ich und es nickte. Mein Herz machte einen
Sprung und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich folgte
ihm.
Das
Einhorn führte sie zu einer Höhle. Eine Feuerstelle mit kalter Asche
war davor und in der Höhle fand sie ein Lager aus Moos und Farn. Weiter
hinten in der Höhle stand eine Truhe aber Sorcha wagte es nicht sie zu
öffnen. Sie sah sich genau um. Irgendjemand schien in der Höhle zu
wohnen, vielleicht sollte sie warten.
Das
Einhorn stand vor der Höhle und beobachtete sie. Sie legte ihr Bündel
auf die Truhe und ging wieder hinaus. Sorcha sagte zu dem Einhorn:
„Ich werde hier warten bis derjenige der in der Höhle wohnt zurückkommt,
in Ordnung?“
Das
Einhorn nickte und Sorcha musste lachen. Sie suchte Holz und baute es in
der Feuerstelle zu einer Pyramide auf, am Abend könnte sie es dann anzünden.
Der
Bewohner der Höhle tauchte nicht auf und Sorcha bekam Hunger. Sie ging
in den Wald und suchte sich etwas zum Essen. Viel fand sie nicht, aber
wilde Zwiebeln, Brennnesseln und Pilze würden für eine Suppe reichen
und die Himbeeren könnte sie zum Nachtisch essen. Sie hatte nicht daran
gedacht viele Nahrungsmittel einzupacken, aber sie wollte ihre Notration
Kekse und Schokolade solange wie möglich schonen.
Sie
schnitt die Pilze und die Zwiebeln in kleine Stückchen und briet sie in
dem Topf an, dann goss sie Wasser darauf und fügte die Brennnesselblätter
dazu. Sie ließ die Suppe eine Zeit lang kochen und durchsuchte währenddessen
ihr Bündel.
Ich
wusste ich hatte etwas vergessen. Mein Besteck lag immer noch, fein säuberlich
geordnet, in der Schublade in die es gehörte. Na ja, Not macht
erfinderisch. Messer waren mir so wichtig erschienen, dass ich fast alle
die ich besaß eingepackt hatte. Ich suchte mein Taschenmesser und ein
Stück Holz. Erst wollte ich einen Löffel schnitzen, aber dann dachte
ich an meine Finger und entschied mich für Essstäbchen. Das war
einfach und ging schnell. Das Einhorn beobachtete mich immer noch und
ich fragte es: „Soll ich dir noch etwas vorsingen?“ Es nickte und
ich sang, was mir gerade einfiel.
Irgendwann
am Nachmittag aß ich etwas von der Suppe. Danach wurde ich müde und
ich breitete meine Decke auf dem Waldboden aus und legte mich darauf.
Das Einhorn verschwand im Wald und als ich aufwachte, war ich allein.
Es
begann gerade zu dämmern, als ich mich fragte ob ich die Zeichen falsch
gedeutet hatte. Das Lagerfeuer hatte für mich ausgesehen als ob es vom
Vortag war, aber ich war ein Stadtkind, ich konnte mich irren. Ich legte
etwas Holz nach und wärmte mir die Hände am Feuer. Hoffentlich hatten
es meine Freundinnen auch so gemütlich.
3. Dorla: Die Ruhe und der
Sturm
Ein
schöner Tag neigte sich dem Ende zu. Der Morgen sonnig und warm, hatte
sich zu einem wolkigen Tag entwickelt und jetzt, am Abend, setzte ein
leichter Regen ein, der meine Blumen und das Gemüse bewässerte.
Als es anfing zu regnen, war
sie ins Haus gegangen und hatte begonnen ihr Abendessen zu kochen. Sie
schnitt das selbstgezogene Gemüse in Würfel und bereitete einen Gemüseeintopf
daraus zu. Seit sie alleine wohnte aß sie nur selten Fleisch, weil ich
sie es nicht über das Herz brachte die Tiere in ihrer Umgebung zu
jagen. Sie dankten es ihr indem sie ihr Gesellschaft leisteten, wenn sie
im Garten arbeitete und sie genoss ihr Vertrauen.
Als
der Topf über dem Feuer hing, ging ich noch einmal in den Garten und
verfütterte die Abfälle an meine Hühner. Der leichte Regen störte
sie nicht und sie pickten eifrig alles auf.
Im
Türrahmen blieb ich noch einen Moment stehen und atmete den Duft der
feuchten Erde ein. Ich liebte das einfache Leben und hatte es nie als
selbstverständlich angesehen. Allerdings machte sich ab und zu ein
leichtes Fernweh bemerkbar.
Ich
ging zurück ins Haus und schloss die Tür hinter mir. Ich deckte den
Tisch und nahm mir eine Schüssel voll Eintopf. Als ich fertig war mit
essen stellte ich die Schüssel in den Spülstein und zog mein Kleid
aus. Unter meinem Kopfkissen lag mein Nachthemd, ein Überbleibsel aus
anderen Tagen. Ich zog es an und freute mich über das seidige Gefühl
auf meiner Haut, dann flocht ich meine Haare zu einem lockeren Zopf und
legte mich schlafen. In der Nacht träumte ich vom Krieg.
Als
ich bei Sonnenaufgang erwachte hatte ich Kopfschmerzen und die vagen
Erinnerungen an den Traum ließen mich auch beim Frühstück nicht los.
Ich kochte mir einen Trank gegen die Kopfschmerzen und überprüfte
meine Kräutervorräte. Danach ging ich in den Garten und pflückte
Erdbeeren. Ich pflückte sie nicht nur, ich aß auch eine Menge davon
und es blieb nur eine Schüssel voll übrig, die ich ins Haus brachte,
um einen Kuchen damit zu backen.
Es
war immer noch bewölkt und ich war froh darüber. Bei sonnigem Wetter
konnte ich mich nicht lange draußen aufhalten, weil ich sofort einen
Sonnenbrand bekam. Im Garten war allerdings nichts zu tun, das Unkraut
war längst gejätet und die Beete geharkt.
Ich
legte mich auf einen Grasflecken und beobachtete die Bienen und
Schmetterlinge die durch meinen Garten flogen. Das Zwitschern der Vögel,
die Wärme und der sanfte Wind lullten mich ein und so schlief ich ein.
Ich
erwachte weil etwas an meiner Wange kitzelte. Ich öffnete die Augen und
erschreckte ein Kaninchen, dass an meinem Gesicht geschnüffelt hatte.
Es sprang zur Seite und sah mich an. Ich griff nach einer Karotte, zog
sie aus dem Boden und rieb sie mit einem Lappen, den ich immer an meinem
Gürtel trug, ab. Danach brach ich sie in zwei Teile, setzte mich im
Schneidersitz hin und lockte das Kaninchen zu mir. Es sprang auf meinen
Schoß und ließ sich mit der Karotte füttern. Den zweiten Teil der Möhre
aß ich selbst, während ich das flauschige Tierchen streichelte. Auf
einmal spitzte das Kaninchen die Ohren und lauschte in Richtung Strasse.
Ich nahm es von meinem Schoß und es hoppelte in den Wald.
Ich
stand auf und klopfte mir den Staub vom Kleid. Dann lief ich ins Haus,
steckte meine Haare hoch und bedeckte sie mit einem Kopftuch. Ich machte
schnell mein Bett, schloss die Tür und schob den Riegel davor. Danach
suchte ich mir eine Waffe. Ich legte den Bogen neben das Fenster und
stellte mein Langschwert neben die Tür. Das Kurzschwert behielt ich in
der Hand. Ich betrachtete die Gravierungen während ich auf meine
Besucher wartete.
Es
dauerte nicht lange, da klopfte es an meine Tür. Ich sagte nichts und
wartete ab.
Eine
dunkle Stimme sagte: „Wir sind Krieger und haben Verwundete dabei, uns
wurde gesagt wir könnten hier Hilfe bekommen.“
Mit
dem Schwert in der Hand öffnete ich die Tür und warf einen Blick
hinaus. Es waren fünf. Zwei Verwundete soweit ich das sehen konnte.
Der, der geklopft hatte musterte mich und sagte dann: „Ich grüße
dich. Wir suchen die „Weise Frau“ die hier wohnen soll. Kannst du
sie rufen oder uns sagen wo wir sie finden?“
Ich
sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und er bemerkte erst jetzt das
Schwert in meiner Hand. „Wir werden niemandem etwas tun, wir suchen
nur Hilfe.“
Ich
stellte das Schwert in die Tür und ging zu den Pferden mit den
Verwundeten hinüber.
„Wo
ist die Weise Frau? Ist sie nicht da?“
Ein
anderer fragte: „Bist du stumm Mädchen?“
Ich
antwortete nicht und sah mir stattdessen den ersten Verwundeten genau
an. Er atmete flach und war sehr blass. Ein Verband war um seine
Schulter gewickelt, aber er war schon völlig mit Blut durchtränkt. Ich
ging zurück ins Haus und legte ein sauberes Laken auf das Bett. Dann
rief ich laut: „Bringt die beiden hier herein, ich werde sie mir
ansehen!“
Sie
ließen sich nicht lange bitten und legten denjenigen, den ich
untersucht hatte auf mein Bett. Der Andere musste mit einigen Decken auf
dem Fußboden Vorlieb nehmen.
„Wie
ist das passiert?“ Ich zog dem Verwundeten das Hemd aus und schnitt
den Verband mit einem Dolch durch. Darunter fand ich eine entzündete
Wunde, in der noch immer die abgebrochene Spitze eines Pfeils
steckte.“
„Wir
sind in einen Hinterhalt geraten. Die Gegner saßen in den Bäumen und
beschossen uns mit Bolzen und Pfeilen. Als Panik ausbrach sprangen sie
herunter und griffen mit Schwertern an. Diese beiden sind unerfahrene Jünglinge,
die kaum in der Lage waren sich zu verteidigen.“
„Wann
geschah es? Vor drei oder vier Tagen?“
„Vor
drei Tagen. Wir sind seitdem auf der Suche nach einem Heiler.“
„Jetzt
seid ihr ja hier. Geht hinaus und setzt euch auf die Bank. Wenn ich euch
brauche rufe ich euch. Ich arbeite lieber allein.“
Sie
verschwanden und ich suchte mir die Kräuter zusammen, die ich benötigen
würde. Ich gab dem jungen Mann einen Trank gegen die Schmerzen und band
ihn an dem Bett fest. Ich steckte ihm ein Stück Leder zwischen die Zähne
und schnitt dann die Pfeilspitze mitsamt dem entzündeten Fleisch aus
seiner Schulter. Er riss die Augen auf, bäumte sich auf und sackte dann
bewusstlos zusammen. Blut strömte aus der Wunde bis ich meine Hand
darauf presste und sie mit Magie verschloss. Ich legte einen frischen
sauberen Verband an und untersuchte auch den Rest seines Körpers. Ich
fand noch eine oberflächliche Schnittwunde in der Rippengegend, die ich
sofort verschließen konnte. Er erwachte und ich legte ihm meine Hand
auf die Stirn. Er hatte im Laufe der letzten Tage viel Blut verloren und
deshalb ließ ich ihn einschlafen. Dann ging ich zu dem anderen hinüber.
Er sah mich aus wachen Augen an.
„Was
ist mit dir?“
„Ich
habe mir ein paar Knochen gebrochen, als ein sterbendes Pferd über mich
hinwegwälzte.“
„Zeig
her.“ Ich untersuchte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und fragte mich
wie er so ruhig vor mir liegen konnte. Als ich seine Gliedmaßen in
verschiedene Richtungen bog sog er hörbar die Luft an.
Er
fragte: „Kann ich auch etwas gegen die Schmerzen bekommen?“
„Natürlich.“
Ich reichte ihm lächelnd eine Schüssel voll Heiltrank und er leerte
sie bis zum letzten Tropfen. Ich heilte zuerst seine Rippen und den
gebrochenen Arm, dann waren meine Energien erschöpft und Lichtpunkte
schwirrten vor meinen Augen. „Ich komme gleich wieder.“
Ich
ging nach draußen und fragte die drei auf der Bank: „Haben die
Dorfbewohner euch gesagt dass ihr etwas mitbringen sollt?“
Einer
von ihnen sprang sofort auf und rannte zu seinem Pferd. Als er wiederkam
hielt er einen Wasserschlauch in den Händen und einen Sack hatte er
unter seinen Arm geklemmt.
In
diesem Moment fing die Welt an sich zu drehen. Ich schwankte und wäre
bestimmt im Dreck gelandet, hätte mich nicht einer der Krieger
aufgefangen und auf die Bank gesetzt.
„Bitte reich mir den Schlauch.“
Er
tat es und half mir auch ihn zu öffnen. Ich trank in tiefen Zügen und
fühlte mich sehr beobachtet. Danach aß ich einige Handvoll Nüsse aus
dem Beutel und sofort ging es mir besser. Ich stand auf, nahm den Sack
und den Wasserschlauch und ging wieder zurück ins Haus. Während ich
meinen heilenden Händen weiter freien Lauf ließ, aß ich ab und zu
eine Handvoll Nüsse und nahm einen Schluck Honig aus dem
Wasserschlauch.
Als
ich fertig war wirkte der junge Mann viel entspannter und ich ließ auch
ihn einschlafen. Dann ging ich wieder hinaus und fragte die anderen:
„Sonst noch etwas was ich sehen sollte?“
Der
Sprecher nickte und streckte seine Hand aus. Ein Stück Stoff war
herumgewickelt und einige Blutflecken prangten darauf.
Ich
setzte mich neben ihn auf die Bank und packte die Hand aus. Sie war
total zerquetscht; an einigen Stellen traten Knochensplitter aus der
Haut hervor. Ich pfiff durch die Zähne und sagte: „Das sieht übel
aus. Ist ein Pferd draufgetreten?“
Er
nickte und sagte: „Tu was du tun musst.“
Ich
trank noch mehr Honig und aß auch noch von den Nüssen, dann nahm ich
seine Hand zwischen meine Hände und konzentrierte mich. Weißes Licht
strömte aus meinen Handflächen und durchdrang seine Hand. „Keine
Angst, ich muss sie nicht abnehmen. In ein paar Tagen ist sie wie
neu.“
„Ich
danke dir. Danke.“ Er strahlte mich an. Dann fragte er: „Wie geht es
den anderen?“
„Den
Umständen entsprechend gut, aber sie werden einige Tage im Bett bleiben
müssen. Ihr könnt hier draußen lagern, wenn ihr wollt. In der Hütte
ist nicht genug Platz für alle. Oder ihr übernachtet in der Herberge
im Dorf.“
Sie
sprachen sich untereinander ab und der mit der ehemals zerquetschten
Hand teilte mir dann mit: „Duncan und Liutger gehen zurück ins Dorf,
ich bleibe hier.“
Ich
nickte und ging ins Haus um nach meinen Patienten zu sehen. Etwas später
hörte ich, wie die beiden wegritten. Ich suchte mir eine Decke und
meine Axt, dann ging ich wieder hinaus. Ich stellte mich vor den anderen
Krieger und fragte: „Wie ist euer Name?“
Er
sprang auf die Füße und verbeugte sich leicht: „Mein Name ist
Konrad, Mylady und wie nennt ihr euch?“
„Ich
rede mich selten selbst an, aber ich werde Dorla genannt.“
Er
musterte die Axt in meiner Hand und fragte: „Kann ich euch irgendwie
helfen?“
„Nun,
ich wollte im Wald Tannenzweige und Farn für ein Lager holen, euer
Freund belegt meinen Schlafplatz und er braucht ihn dringender als ich.
Wenn ihr mögt, könnt ihr mich begleiten und mir beim Tragen helfen.“
Er
nickte und griff nach seinem Schwert.
„Ich
glaube das werdet ihr nicht brauchen.“ Bemerkte ich trocken.
„Nur
für den Fall das es hier wilde Tiere gibt.“
„Es
gibt keine. Lasst es hier.“ Ich sah ihn an und er legte es unter seine
Decke.
Im
Wald fanden wir alles was wir brauchten. Die Tiere hielten sich fern,
sie hatten Angst vor Konrad. Er sah auch zum fürchten aus. Schmutzig, bärtig,
zerzaust und mit teilweise zerrissener Kleidung machte er keinen sehr
vertrauenswürdigen Eindruck, aber ich hatte schon schlimmeres gesehen.
Als
wir zur Hütte kamen, sah ich noch einmal nach den Schläfern und holte
dann Seife und ein Handtuch aus meinem Schrank. Ich gab Konrad ein
Rasiermesser und schickte ihn zu der kleinen Quelle, die 50 Schritt von
meinem Haus entsprang. Als er wiederkam hatte er auch seine Haare
geschnitten und man konnte erkennen, dass er nicht viel älter war als
ich.
Ich
hatte draußen mein Lager bereitet und so ging ich ins Haus um
Abendessen zu kochen. Vom Vortag war noch genug Eintopf für uns beide
übrig geblieben und nun wärmte ich ihn auf und schöpfte ihn in zwei
Holzschüsseln. Ich ging hinaus und schloss die Tür hinter mir. Konrad
kam auf mich zu und nahm mir eine der Schüsseln ab. Nachdem wir
gegessen hatten fragte er mich: „Warum haben die Dorfbewohner Angst
vor dir?“
„Haben
sie die? Ich weiß es nicht. Ich habe keinem von ihnen etwas getan.“
Ich überlegte einen Moment: „Es ist sicher die Furcht vor dem
Unbekannten, wenn sie Hilfe brauchen kommen sie trotzdem.“
„Vermisst
du nicht die Nähe zu anderen Menschen.“
„Nicht
sehr. Ich habe hier viel zu tun. Wenn es dir nichts ausmacht würde ich
jetzt gerne schlafen.“
„Natürlich,
nach der Anstrengung heute bist du sicher sehr erschöpft.“
„So
ist es.“ Ich drehte mich auf die Seite und schlief sofort ein.
Bei
Sonnenaufgang wachte ich auf. Ich richtete mein Kopftuch und schnürte
meinen Gürtel um. Danach sah ich als erstes nach den beiden Patienten
im Haus. Sie schliefen noch, also machte ich Frühstück. Dabei sang ich
ein altes Lied.
Der
auf dem Boden wachte auf. Er setzte sich auf und begrüßte mich mit
einem freundlichen: „Guten Morgen.“ Ich stellte den Teekessel auf
den Ofen und ging dann zu ihm hinüber.
„Wie
fühlst du dich? Hast du noch Schmerzen?“
„Kaum.“
Er sah mich an: „Und ich weiß auch wem ich das verdanke. Mein Name
ist übrigens Brand.“
„Ich
heiße Dorla.“
„Das
Lied habe ich lange nicht mehr gehört.“ Konrad stand in der Tür. Als
er sah das Brand wach war fragte er ihn: „Wie geht es dir?“
Brand
lachte: „Wesentlich besser als die letzten drei Tage und so ein
weiches Lager hatte ich auch schon lange nicht mehr.“
„Wenn
du willst, darfst du dich zum Frühstück hinsetzen.“ Bot ich an. Er
nickte und ich half ihm auf. „Konrad, du kannst dich auch hinsetzen.
Das Frühstück kommt gleich.“ Ich servierte den beiden Brot und
Marmelade und stellte eine Schale voll Obst auf den Tisch.
Dann
ging ich zu dem anderen hinüber. Er schlief noch, erwachte aber als ich
die Wunde untersuchte.
„Aua!“
Er öffnete die Augen: „Wo bin ich?“
Konrad
stand auf, kam herüber und ergriff seine Hand. „Wir haben dich zu
einer Heilerin gebracht.“
Ich
ging meine Kräuter holen und flüsterte dabei: „So schnell wird man
also von der „Weisen Frau“ zur „Heilerin“.“
Ich
untersuchte die klaffende Wunde und war zufrieden. Nicht die Spur einer
Entzündung war zu finden. Ich legte noch einmal meine Handfläche
darauf und ließ das heilende Feuer wirken. Danach setzte ich mich an
den Frühstückstisch und schälte mit zitternden Händen einen Apfel.
Konrad holte den Wasserschlauch und den Beutel mit Nüssen und legte ihn
vor mir auf den Tisch.
„Danke.“
Ich nahm einen großen Schluck Honig und aß die restlichen Nüsse.
Danach ging es mir wieder gut.
„Ich
werde Nüsse holen gehen. Brand, leg dich wieder hin und beweg dich so
wenig wie möglich und Konrad, du schonst deine Hand und hast ein Auge
auf Marc, ja?“
„In
Ordnung.“
„Ach
ja, bitte lasst die Tiere in der Umgebung in Ruhe. Ich will nicht das
sie gejagt werden.“
Sie
sahen mich an als hätte ich den Verstand verloren, nickten aber und so
griff ich nach meinem Sammelbeutel und machte mich auf den Weg.
Ich
brauchte nie lange zum Nüsse sammeln, denn ich hatte immer viel Hilfe.
Den Beutel hatte ich auf den Boden gelegt und Eichhörnchen und Vögel
halfen mir ihn zu füllen. Als ich zurückkam war Konrad dabei Schwertübungen
durchzuführen.
„Du
sollst dich doch schonen.“
„Es
ist nicht meine Schwerthand und dieses kann ich einhändig führen.“
„Das
sehe ich, kann ich mitmachen?“
Er
zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Wenn du ein Schwert hast.“
Ich
lachte, ging ins Haus und suchte mir eine angemessene Waffe. Mein
Schwert lag, in einen Lappen gewickelt, unter dem Bett und ich holte es
hervor. Es glänzte in den Sonnenstrahlen die durch das Fenster fielen
und die Runen auf der Klinge waren klar zu lesen. Brand beobachtete
mich, Marc schlief schon wieder. Ich sagte lächelnd zu Brand: „Dreh
dich um, ich will mich umziehen.“
Er
grinste und tat es.
Ich
holte meine alte Hose aus meiner Truhe und zog sie an. Auch die
Lederweste saß noch wie angegossen. Meine Haare flocht ich schnell zu
einem festeren Zopf, steckte sie wieder hoch und schnürte mein Kopftuch
fest darum. Dann sagte ich zu Brand: „Kannst dich wieder umdrehen.“
Ich
hörte im Rausgehen wie er durch die Zähne pfiff.
Als
ich vor der Tür stand, sagte ich zu Konrad: „Lass es langsam angehen,
ich habe schon eine Ewigkeit nicht mehr mit einen Trainingspartner geübt.“
Eine
Stunde später war ich schweißgetränkt aber stolz. Ich hatte mich gut
geschlagen. Konrad war ziemlich erschöpft, ich fühlte mich blendend.
Als wir ins Haus gingen sagte er: „Ich dachte du hast lange nicht
trainiert, dafür bist aber in einer sehr guten Verfassung.“
„Du
hast nicht zugehört. Ich sagte: ohne Trainingspartner. Ich wäre
unvorsichtig, würde ich nicht für meine Verteidigung sorgen. Der Wald
ist zwar friedlich, aber manchmal kommen hier seltsame Gestalten
vorbei.“
Die
Erdbeeren vom Vortag standen noch im Schrank und ich holte sie hervor.
Konrad erklärte sich bereit sie zu waschen und zu säubern und so
konnte ich mich um anderes kümmern. Ich holte frisches Wasser von der
Quelle und suchte danach meinen Mörser. Ich zerquetschte einige
Handvoll der Nüsse und vermengte das Nussmehl mit Honig. Dann mischte
ich etwas Erdbeersaft und Wasser darunter und ging zu Marc hinüber. Er
wachte gerade auf.
„Wie
geht es dir?“ fragte ich ihn.
„Geht
so. Meine Schulter tut weh.“
„Ich
habe dir was zu Essen gemacht.“
„Ich
glaube nicht dass ich das runterkriege“ sagte er nachdem er einen
Blick auf den Inhalt der Schüssel geworfen hatte.
„Versuch
es.“ Ermutigte ich ihn. Ich fütterte ihn langsam mit dem Brei und ab
und zu gab ich ihm ein paar Löffel Wasser. Nach der Mahlzeit
untersuchte ich noch einmal seine Schulter. Die Wunde hatte sich fast
komplett geschlossen. „Morgen kannst du dich hinsetzen und vielleicht
auch aufstehen.“
„Morgen
schon? Es fühlt sich momentan noch an, als ob ich noch drei Wochen hier
gefesselt liegen muss.“
„Morgen
früh binde ich dich los. Wenn du dich im Schlaf bewegst ist das der
Heilung nicht zuträglich.“
Ich
strich mit der Hand über die Wunde und er zuckte zusammen.
„Ich
werde dich schlafen lassen, dann hast du keine Schmerzen.“
Er
nickte und ich legte meine Hand auf seine Stirn. In ein paar Sekunden
war er eingeschlafen. Ich setzte mich an den Tisch und unterhielt mich
mit Konrad und Brand. Dabei nahm ich Konrads Hand zwischen meine und überprüfte
ihren Zustand.
„Es
ist schon fast verheilt. Schone sie noch eine Woche, dann ist sie wieder
für alles zu gebrauchen.“ Ich sah Marc besorgt an.
Konrad
sah es und fragte mich: „Wie lange?“
„Er
muss noch mindestens zwei Wochen hier bleiben. Er hat sehr viel Blut
verloren und das lässt sich nicht so einfach ersetzen. Brand, du musst
auch noch eine Woche bleiben. Aber du kannst gehen Konrad. Deine Hand
bedarf keiner Pflege mehr, die du ihr nicht selbst geben könntest.“
„Dann
reite ich ins Dorf. Wenn du nichts dagegen hast komme ich ab und zu
vorbei.“
„Natürlich
habe ich nichts dagegen, komm so oft du willst.“
„Soll
ich etwas mitbringen?“
„Ich
brauche noch mehr Honig und Milch.“ Ich überlegte: „Wenn ihr mir
ein Pferd leiht, komme ich mit ins Dorf. Brand kann in der Zeit auf Marc
achten und ich bitte meine Freunde aufzupassen.“
„Aber
nur wenn du mir zeigst wo der Schmerztrunk steht.“ Warf Brand ein.
Ich
holte ihn und stellte ihn neben Brand auf den Boden. „Du darfst nur im
äußersten Notfall aufstehen.“ Er versprach es und ich suchte meine
Sachen zusammen. Das Gold in meinem Beutel würde reichen um alle Einkäufe
zu bezahlen. Als ich Brand kurz schlafen und Konrad nach draußen zu den
Pferden geschickt hatte, zog ich mein bestes Kleid an und kämmte
schnell meine Haare. Nachdem ich sie zu einem strengen Zopf geflochten
hatte, steckte ich das weiße Kopftuch darüber fest. Danach weckte ich
Brand und ging zu dem Pferd, das Konrad für mich gesattelt hatte. Ich
strich dem Pferd über die Nase und stieg auf. Dann ritten wir ins Dorf.
4. Sorcha:
Fedon
Die
Abenddämmerung setzte ein und noch immer war niemand gekommen, auch das
Einhorn kam nicht zurück. Ich beschloss es mir in der Höhle gemütlich
zu machen und suchte mir Moos und Farn für ein eigenes Lager. Ich war
nicht müde und deshalb setzte ich mich mit meinem Tagebuch an das Feuer
und malte das Einhorn. Meine Decke hatte ich um meine Schultern gelegt
und ab und zu warf ich einen Ast ins Feuer. Auf einmal hörte ich
Schritte hinter mir. Sehr leise Schritte. Ich drehte mich und sah einen
Mann hinter mir stehen.
Ich
stand auf und er verbeugte sich leicht. Ich amte seine Verbeugung nach
und behielt ihn dabei im Auge. Er sah sehr gut aus. Er hatte himmelblaue
Augen und lange, hellblonde, fast weiße Haare. Trotzdem schien er nicht
älter als 25 zu sein und er trug weiße Kleidung, die ich, für ein
Leben im Wald, ziemlich unpassend fand.
Er
lächelte mich an und sagte: „Ich grüße dich. Mein Name ist Fedon.
Kann ich dir helfen?“
„Mein
Name ist Corvina, ich suchte meine Freundinnen und fand ein – die Höhle.
Ich dachte es wäre ein guter Platz zum übernachten. Hast du etwas
dagegen?“
„Nein,
du kannst gerne bleiben. Etwas Gesellschaft bringt Abwechslung. Darf ich
mich zu dir setzen?“
„Ja,
natürlich. Möchtest du etwas Suppe?“
Ich
setzte mich hin und griff nach dem Topf, aber er schüttelte den Kopf
und sagte: „Nein Danke, ich habe keinen Hunger.“ Er setzte sich
neben mich sah mich an. Dann bemerkte er mein Buch und fragte: „Was
ist das?“
Ich
griff danach und reichte es ihm. „Das ist mein Tagebuch. Du kannst es
dir gern ansehen, aber ich habe noch nichts hineingeschrieben.“
Ich
beobachtete ihn, während er das Buch untersuchte und auf einmal fiel es
mir wie Schuppen von den Augen.
„Was
ist?“ fragte er.
„Du
bist das Einhorn!“
„Wie
hast du das erkannt? Kein Mensch vor dir hat das von allein bemerkt.“
Er grinste mich an.
„Deine
Augen, sie haben die gleiche Farbe. Und deine Kleidung passt nicht in
den Wald.“
„Gut
beobachtet. Und ich habe festgestellt, dass du nicht in dieser Welt
geboren wurdest.“
„Ich
glaube das war einfach herauszufinden, ich kenne schließlich noch
nichts hier und weiß noch nicht mal wie man sich hier kleidet.“
„Auf
jeden Fall tragen die meisten Frauen keine Hosen. Sie laufen nicht ohne
Begleitung durch den Wald und sie reden nicht mit fremden Männern.“
„Aha,
ich hoffe Ausnahmen bestätigen die Regel.“
„Außerdem
zeigen sie Einhörnern gegenüber großen Respekt. Zumindest wenn sie in
der Lage sind eines zu sehen.“
„Was
ist die Aufgabe eines Einhorns? Warum bist du hier?“
„Ich
bin der Hüter des Waldes. In jedem großen Wald lebt ein Einhorn.“
„Und
was machst du? Wird das nicht langweilig mit der Zeit?“
„Im
Wald ist es nie langweilig, es gibt immer viel zu tun. Ich muss dafür
sorgen dass die Feen es nicht zu bunt treiben, ich treffe die
Waldbewohner, achte auf die Tiere und ich denke mir die Aufgaben für
die Elfen aus.“
„Elfen?
Feen?“ Ich war im Märchenland!
„Ja
Elfen, kennst du bestimmt. Spitze Ohren können gut mit Bögen umgehen
und Feen sind...“
„Kleine
Wesen mit Flügeln, die sich um die Blumen und Bäume kümmern?“
„Ja,
und die gerne Menschen in die Irre führen. Das gehört zu den Dingen
die ich verhindern muss.“
„Was
meintest du denn mit Aufgaben für die Elfen finden, haben die nichts zu
tun?“
„Nein,
es geht um einen alten Brauch. Jeder Elf muss eine Aufgabe erfüllen,
die ich ihm aufgebe. Wenn er es nicht schafft wird er von mir in einen
Troll verwandelt.“
„In
einen Troll, für immer? Wozu soll das denn gut sein?“
„Das
werde ich dir nicht erzählen. Du kannst sie selbst fragen, wenn du mal
welche triffst.“
Ich
bemerkte, das mir langsam die Augen zufielen. „Ich denke ich muss
jetzt etwas schlafen. Bist du morgen noch da?“
„Ich
bin immer da. Aber nach Sonnenaufgang nehme ich wieder die andere
Gestalt an.“
„Dann
bis morgen. Vielleicht werde ich ja früh genug wach.“
5.
Dorla: Im Dorf
Die
Dorbewohner waren Dorla gegenüber so schweigsam wie immer. Sie konnte
ihr Blicke in ihrem Rücken spüren als sie vorbeiritten. Sie streckte
das Kinn nach vorn und stieg vor dem kleinen Laden ab. Konrad kam mit
hinein und bezahlte den Honig und die Nüsse, dann verabschiedete er
sich und machte sich auf den Weg zu der Herberge.
Ich
belud mein Pferd und ritt dann zu einem Bauern der am Stadtrand wohnte.
Als er mich sah, kam er mir lächelnd entgegen.
„Schön
euch zu sehen Mylady, was führt euch zu mir?“
„Ich
grüße dich Bauer, ich möchte eine Ziege oder ein Schaf kaufen. Ich
brauche Milch.“
„Ich
habe nur Schafe, wegen der Wolle. Ich gebe euch gerne eins.“
„Gut,
was möchtest du dafür haben?“
„Nichts.
Ich schulde euch noch einen Gefallen, meine Frau wäre ohne eure Hilfe
sicher gestorben.“
„In
der Tat, wie geht es ihr?“
„Es
geht ihr sehr gut, sie besucht gerade eine Verwandte. Bitte nehmt das
Schaf, sucht euch eins aus.“
Ich
ließ meinen Blick über die Herde grasender und wiederkäuender Schafe
schweifen.
„Hat
das schwarze dort hinten Milch?“
„Ja
sicher.“
„Dann
würde ich es gerne mitnehmen.“
„Es
gehört euch, ich fange es ein.“
„Danke,
das ist nicht nötig.“
Ich
ging zu dem Schaf und strich ihm über den Rücken. Als ich vom Hof ging
folgte es mir. An der Pforte traf ich die kleine Tochter des Bauern. Sie
stand auf dem Gatter und schwang hin und her. Ihr blondes Haar wehte im
leichten Wind und ihr helles Lachen heiterte mich auf. Sie bemerkte
mich, sprang vom Gatter, rannte auf mich zu und umarmte mich in Kniehöhe.
„Hallo
Sophie, wie geht es dir?“
„Mir
geht es gut. Sieh mal Dorla, ich habe mir das Knie aufgeschlagen.“ Sie
zog ihren Rock ein Stückchen hoch und zeigte mir ihr verschorftes
Kinderknie.
Ich
legte meine Hand darauf und sagte: „Also ich kann nichts sehen.“
Sie
sah erst mich und dann ihr Knie an und stellte dann fest: „Ist schon
wieder heile. Kommst du bald wieder vorbei?“
„Vielleicht.
Ich habe viel zu tun.“ Sie zog eine Flappe „Aber wenn ich komme,
bringe ich dir etwas mit.“
„Was
denn?“
„Lass
dich überraschen.“ Ich winkte ihr und ihrem Vater zum Abschied zu und
ging dann zu dem Pferd.
Das
Schaf folgte mir, während ich in Gedanken versunken langsam nach Hause
ritt. Ich mochte Kinder, sie waren noch nicht voll von Vorurteilen und
sie sagten immer was sie dachten.
Ich
hatte gute Laune, weil ich alles bekommen hatte was ich brauchte und so
sang ich leise vor mich hin:
„Ein
weiter Weg ist bis zum Ziel,
allein
das zu Wissen hilft nicht viel.
Der
erste Schritt ist manchmal schwer,
doch
folgen ihm noch viele mehr.
Und
denk dran das geschrieben steht,
dass
manchmal ist das Ziel der Weg,
drum
schreite weiter tüchtig aus
und
ehe du es denkst bist du zu Haus.“
Ich
nahm dem Pferd den Sattel und das Zaumzeug ab und ließ es frei laufen,
dann ging ich ins Haus.
„Wie
geht es euch?“
„Gut,
aber ich habe Hunger.“ Erwiderte Brand.
Ich
lachte: „Wenn das dein größtes Problem ist, kann ich dir helfen. Was
ist mit Marc?“
„Er
hat die ganze Zeit über geschlafen, war ganz schön langweilig.“
„Kannst
du lesen?“
„Ja.“
„Ich
kann dir eins von meinen Büchern geben, dann wird dir die Zeit
vielleicht nicht so lang.“
„Vielen
Dank, aber heilige Texte und Kochbücher langweilen mich noch mehr als
Fliegen zu beobachten.“
„Wer
redet denn von solchen Werken? Warte einen Augenblick.“ Ich ging an
meine Truhe und suchte zwei Bücher heraus. Dann trug ich sie zu Brand.
Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und schlug sie auf.
„Dieses
Buch beschreibt die Reisen von Tarant dem Ausdauernden. Er war ein
Gelehrter, der auf der Suche nach den göttlichen Drachen viele
Abenteuer erlebt und sie niedergeschrieben hat. Das zweite Buch ist eine
Anleitung für Krieger. Darin werden viele Kampftechniken und der Umgang
und die Pflege von Waffen ausführlich beschrieben. Hinten findet man
taktische Überlegungen. Wie du siehst ist es bebildet, was die
einzelnen Kampfstellungen besser erklärt als tausend Worte.“
„Das
klingt wirklich interessant, woher hast du die Bücher?“
„Ich
bekam sie von einem Adligen, den ich wegen Gicht und einiger anderer
Krankheiten behandelte. Er erlaubte mir drei Bücher aus seiner
Bibliothek mitzunehmen.“
Brand
vertiefte sich völlig in das Buch des ausdauernden Tarant. Und ich
bereitete das Essen zu. Marc würde sich die nächste Woche noch von
Brei ernähren müssen, aber Brand und ich würden die Pastete essen können,
die ich gerade zubereitete. Als verlockende Düfte durch das Zimmer
strichen wachte Marc auf.
„Das
riecht aber sehr gut.“
„Tut
mir Leid, aber das verträgst du noch nicht.“ Ich stellte den Brei vor
ihm aufs Bett und setzte mich auf die Bettkante. Ich fütterte ihn mit
dem Brei und er schien ihm sogar zu schmecken. Danach gab ich ihm etwas
Milch.
„Ich
bin doch kein Baby.“
„Es
wird dir helfen schnell wieder gesund zu werden.“
Er
grinste mich an: „Ich fühle mich schon viel besser.“
„Das
hoffe ich doch. Hast du mitbekommen das du noch mindestens zwei Wochen
hier bleiben musst?“
Er
sah mich ernst an und sagte dann: „Nein, aber ich habe es mir
gedacht.“
„Brand
kann dir ja etwas vorlesen, wenn es dir zu langweilig wird.“
Ich
stand auf und setzte mich mit an den Tisch. Die Pastete war mir wirklich
gut gelungen, und obwohl Brand schon seine Hälfte gegessen hatte,
starrte er immer noch auf den Rest. Ich nahm mir noch ein kleines Stück
und schob dann den Teller zu ihm rüber: „Iss sie ruhig auf, ich freue
mich dass es dir schmeckt. Danach legst du dich aber bitte wieder hin,
wenn du etwas vorliest macht mir der Hausputz mehr Spaß. Und hier muss
einiges getan werden.“
Er
sah sich um: „Wieso denn? Ist doch alles sauber.“
„Nun,
oberflächlich betrachtet vielleicht, aber für eine Krankenstube ist es
wirklich zu schmutzig.“
Ich
verbrachte den restlichen Tag damit mein Haus zu säubern und die Männer
zu unterhalten. Letzteres stellte sich als nicht besonders schwer
heraus, offensichtlich genügte es den beiden mich beim Putzen zu
beobachten. Ich bewegte sie dazu mir etwas über sich zu erzählen.
Brand
erzählte das er als Bauernsohn geboren wurde, aber am Hofe des Königs
aufgewachsen war, weil seine Mutter die Amme des Prinzen gewesen war.
Dort hatte er eine Ausbildung genossen, von der er als Bauernsohn
ansonsten nur hätte träumen können. Er lernte Lesen und Schwertkampf
und wurde in die königliche Armee aufgenommen. Der Tag an dem das Pferd
auf ihn fiel, war sein erster offizieller Arbeitstag gewesen. „Und er
war mit schlimmen Schmerzen verbunden, von dem ruhmreichen Kämpferleben
habe ich hingegen nichts mitbekommen.“
„Das
glaube ich dir. Und woher stammst du Marc?“
Marc
erwiderte: „Bei mir war es ähnlich, nur dass ich nicht aus einer
Bauernfamilie stamme, sondern der Sohn einer Bediensteten bin. Auch ich
genoss die Ausbildung im Schloss und auch für mich war dies der erste
Einsatz.“ Ich ging zu ihm und sah ihn genau an. Der Tag hatte ihn sehr
angestrengt und er sah blass aus. Ich beschloss ihn schlafen zu
schicken.
Vorher
fragte ich ihn: „Möchtest du noch etwas Schmerzmittel?“
Er
schüttelte den Kopf und so strich ich ihm mit der Hand über das
Gesicht und versetzte ihn in Tiefschlaf. Ich warf einen Blick auf Brand
und stellte fest das der schon von alleine eingeschlafen war.
Das
war meine Gelegenheit, ich warf meinen Mantel über und ging hinaus zu
der Quelle. Ich wusch mich gründlich und trank zwischendurch etwas von
dem Wasser. Die Nacht war warm und friedlich, der Wind säuselte leise
in den Blättern und als ich mein Haar kämmte strich er sanft hindurch.
Ich legte mich auf das Laub, sah die Sterne an und sang ein uraltes
Lied, das mir in den Sinn kam und zu der Stimmung passte. Auf einmal
bemerkte ich, das sich etwas von hinten an mich heranschlich. Ich drehte
mich um und sah einen Mann, der in einen weißen Umhang gehüllt war und
langsam auf mich zu kam.
„Nach
all der Zeit schaffst du es immer noch nicht dem Gesang zu
widerstehen?“
Er
schüttelte langsam den Kopf und lächelte: „Wer könnte deinem Gesang
widerstehen. Du singst schöner als die Sirenen des Meeres und selbst
der Wind steht still um dir zu lauschen.“
Ich
musste grinsen: „Du Schmeichler“
„Bist
du aus einem besonderen Grund hier?“
„Nun,
ich wollte dich sehen und da du so selten vorbeikommst dachte ich mir
ich komme dir entgegen.“ Er setzte sich neben mir auf den Waldboden
und nahm meine Hand. Ein Leuchten schlich von seinen Händen in meine,
bis wir schließlich beide von einem weißen Schimmer umgeben waren. Er
sah mir tief in die Augen und seufzte dann.
„Was
ist?“ fragte ich ihn, „du wirkst bedrückt.“
Er
tätschelte meine Hand und sagte dann: „Du wirst fortgehen und ich
fange jetzt schon an dich zu vermissen.“
„Aber
ich komme doch wieder.“ Ich drückte seine Hand „Irgendwann komme
ich immer wieder.“ Seine Mine hellte sich etwas auf und er sagte:
„Ja, ich weiß. Wenn du willst achte ich auf dein Haus während du
fort bist. Ich könnte es für alle Unbefugten unsichtbar machen.“
„Das
ist eine gute Idee.“
Wir
redeten noch eine ganze Zeit lang. Als wir uns zum Abschied umarmten
brach der Morgen an und Albus verschwand in einer Wolke. Als sich die
Rauchwolke verzogen hatte, stand an seiner Stelle ein großes weißes
Einhorn und sah mich aus traurigen blauen Augen an. Ich umarmte seinen
Hals und ging zurück zum Haus.
Die
Sonne stand am Himmel, also molk ich das Schaf und sammelte Beeren für
das Frühstück. Die Nacht mit Albus war erholsamer als eine Woche
Schlaf und ich fühlte mich ausgeruht und stark.
Ich
schlich ins Haus und holte meine Waffen um zu üben. Keiner meiner
Pfeile verfehlte sein Ziel und auch mit meinen Schwertübungen war ich
zufrieden. Heute würde ich die Jungs noch etwas mehr ausfragen. Ich
wusste sie verheimlichten mir etwas, aber ich hatte keine Lust ihre
Gedanken zu lesen. Gute, alt bewährte Methoden würden mich ebenso ans
Ziel bringen und damit meine ich nicht die Folter.
Brand
schlief noch als ich Frühstück machte aber Marc war wach. Wie ich ihm
am Tag vorher versprochen hatte, band ich ihn los.
„Dein
Frühstück ist gleich fertig. Bevor ich dir etwas gebe werde ich mir
deine Schulter noch einmal ansehen. Bleib besser liegen.“ Die Wunde
war vollständig geschlossen. Ein großer roter Fleck mit etwas Schorf
in der Mitte zeigte noch wo der Pfeil eingedrungen war. Ich tastete die
Schulter ab und Marc zuckte zusammen.
Er
griff nach meiner Hand und sagte: „Wenn du nicht auf die Wunde drückst,
schmerzt sie kaum noch.“
Ich
zog im sein Hemd aus und untersuchte auch den Schnitt auf seinen Rippen.
Eine heller Streifen war zurückgeblieben.
„Warte
einen Augenblick.“ Ich stand auf und durchsuchte mein Regal nach einem
kleinen Tiegel voll Creme. Als ich ihn endlich gefunden hatte setzte ich
mich auf die Bettkante und öffnete den Tiegel. Ich nahm etwas von der
Paste auf meine Finger und strich sowohl den Narbenstreifen, als auch
Marcs Schulter damit ein. Ich war so sanft wie möglich, trotzdem wurde
er immer bleicher.
„Atme
einfach tief durch.“
„Du
hast gut reden, dir tut ja nichts weh.“
„Tu
einfach was ich dir sage.“ Ich hielt ihm den Tiegel unter die Nase und
er atmete tief ein. Die Creme begann zu wirken.
„Oh,
jetzt fühlt es sich auf einmal viel besser an.“
„Das
war der Sinn der Sache. Du kannst dich jetzt hinsetzen. Ich gebe dir
dein Frühstück.“ Ich reicht ihm eine Tasse voll Milch und fütterte
ihn mit dem Brei, den ich gekocht hatte.
„Ich
danke dir. Es ist sehr nett von dir, dass du dich um uns kümmerst.“
„Ich
mache das gern.“ Ich hasste es zu erröten, aber dagegen konnte ich
nichts tun, also wandte ich mein Gesicht ab. In diesem Moment wachte
Brand auf. Ich stand auf und half ihm beim Aufstehen. „Heute gebe ich
dir etwas zu tun.“
„Was
denn? Darf ich aufstehen?“
„Ja,
aber nur kurz. Wenn du willst kannst du dich draußen in die Sonne
legen. Tun dir deine Arme noch weh?“
„Nein.“
Er bewegte die Arme „Nur die Rippen und meine Beine wenn ich sie
bewege.“
„Gut,
dann kannst du Kräuter Kleinmörsern.“ Ich half ihm nach draußen und
brachte ihm sein Frühstück. Dann gab ich ihm meinen Mörser und
verschiedene Kräuter und erklärte ihm was er machen sollte. Ich ging
wieder in mein Haus und nahm mir einen Stuhl. Ich stellte ihn vor Marcs
Bett und sah ihn ernst an. Er sah verwundert zurück und fragte: „Was
ist los?“
„Wir
müssen uns unterhalten. Ich habe ein paar Fragen.“
„Ja?“
„Warum
wurdet ihr angegriffen?“
„Wir
wurden vom König losgeschickt um Friedensverhandlungen mit den
Nachbarreich zu führen. Irgendwer hatte wohl etwas dagegen und griff
uns an, als wir gerade die Grenze überquert hatten.“
„Und
wie viele wart ihr bevor ihr angegriffen wurdet?“
„Ungefähr
zwanzig. Bei dem Angriff starben sieben meiner Kameraden und sechs
wurden verletzt. Drei von ihnen starben bevor wir hier ankamen, die
anderen waren nur leicht verletzt und machten sich auf den Rückweg, um
dem König Bericht zu erstatten. Die fünf übrigen hast du ja
gesehen.“
„Was
wirst du tun wenn du wieder gesund bist?“
„Ich
werde zum König reiten und abwarten, was er entscheidet. Was sollen
diese Fragen?“
„Aus
welchem Königreich stammst du?“
„Aus
dem östlichen.“
„Seit
wann befindet ihr euch im Krieg?“
„Es
herrscht kein Krieg, der Vertrag sollte den bestehenden Frieden
sichern.“
„Klug,
Vorsorge ist besser als Nachsorge. Ihr scheint einen weisen König zu
haben.“
„Da
hast du recht. Und er sorgt sich um die Zukunft seines Reiches.“
„Also,
ich weiß jetzt etwas über die Beweggründe des Königs und dass er
weise ist. Er hat sicher nur seine besten Männer ausgesandt um den
Vertrag auszuhandeln. Und ich frage mich, warum er dich und Brand
geschickt hat. Konrad ist ein Krieger, ebenso wie die anderen zwei die
sich im Dorf aufhalten. Brand kann lesen und sich, so wie du, am Hofe
benehmen, aber er hat als Bauernsohn bestimmt nicht die Befugnis einen
Friedensvertrag auszuhandeln. Normalerweise treffen sich die Könige auf
neutralem Boden und machen so etwas gemeinsam.“
„Der
König ist alt und kann nicht so weit reisen. Auch der König des
Westreiches ist krank und nicht reisefähig.“
„Nun
ich weiß nicht ob du denkst ich wäre dumm, doch gebe ich zu bedenken,
dass ich wirklich die weise Frau dieses Dorfes bin.“
„Ich
habe nie gesagt...“
„Nein,
das hast du nicht. Aber du verschweigst mir etwas und ich habe da so
eine Ahnung“
„Ach
ja?“
„Soll
ich dir meine Theorie erklären?“ Er sah mich mit hochgezogenen
Augenbrauen an und nickte mir dann zu.
„Du
bist der Kronprinz des Ostreiches. Dein Name ist Marcus und Brandolf ist
dein bester Freund. Dein Vater schickte dich mit einer Eskorte los, um
den Friedensvertrag abzuschließen und der Magier des Westreiches
stellte euch diesen Hinterhalt, weil er dachte, dass sein Einfluss auf
das Königreich bei so einem Vertrag schwinden würde.“
Ich
sah ihn prüfend an und setzte dazu: „Wahrscheinlich solltest du auch
noch die Tochter des anderen Königs heiraten.“
Marc
schnappte nach Luft. „Das stimmt. Du bist eine Hellseherin.“
„Nein,
nur ein Mädchen, das als weise Frau gilt und Heilkräfte besitzt. Aber
ich biete dir meine Dienste an, Prinz, meine Heilkräfte, meine Klinge
und meinen Verstand.“
„Ich
danke dir und nehme dein Angebot gerne an, aber was treibt dich dazu,
mich in die Gefahr zu begleiten?“
„Ist
der Frieden zwischen zwei Königreichen nicht einige Mühen wert? Es
haben schon einige den Tod gefunden um ihn zu erringen und ein Kampf ist
nicht die richtige Art Frieden zu stiften. Vielleicht kann ich dazu
beitragen, versuchen möchte ich es auf jeden Fall.“
„Deine
Unterstützung kann unser Königreich sicher gebrauchen.“ Marcus überlegte
eine Zeit lang „Aber was werden die Dorfbewohner ohne dich machen? Sie
brauchen doch eine Heilerin.“
„Ich
werde dafür sorgen, dass sie einen Ersatz bekommen. Wir können uns
erst in zwei Wochen auf den Weg machen und ihr müsst euch eigentlich
nur schonen. Meine Hilfe benötigt ihr nicht mehr unmittelbar. Ich werde
einen Ersatz für mich suchen und Konrad bitten auf euch zu achten. Eine
Frau aus dem Dorf wird für euch kochen.“
„Einverstanden.
Ich verspreche dir, deinen Anweisungen zu folgen so lange du fort
bist.“
„Es
wird nicht lange dauern, übermorgen mache ich mich auf den Weg.“
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