Siriel
Aus Sanily wird Siriel - Der Fortsetzungsroman |
„Ich
weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich bin halbtot“, stöhnte Siany
und versuchte ihre Eisfinger in der Rocktasche aufzutauen. „Es
ist aber auch wirklich saukalt heute morgen“ erwiderte Elaine,
„Haben sie uns so lange warten lassen, um uns dann kurz vorm
Wintereinbruch loszuschicken,
damit in der kalten Jahreszeit mehr Nahrung für sie bleibt?“ Siany lachte:“ Das glaubst du doch wohl selbst nicht - außerdem, warum hätten sie dich dann mitgeschickt?“ „Du
isst ja nun wirklich fast gar nichts“, fügte Rialla hinzu. „Also
ich glaube, dass sie endlich mit unserer Entwicklung zufrieden waren und
uns deshalb erst jetzt losgeschickt haben. Die Jahreszeit ist eigentlich
sowieso egal, da wir ja genau in einem Jahr wiederkommen; und - gebt es
doch zu - wenn wir diesen Winter auch noch zu Hause rumgehangen hätten,
wären wir nicht gerade gut verträgliche Hausgenossen
gewesen“, die beiden stimmten ihr zu. „Was
machen wir jetzt eigentlich?“ fragte Elaine. „Gute
Frage“, Siany überlegte, „was meinst du Rialla, du warst doch schon
öfter außerhalb der Siedlung, wenn ihr im Lager trainiert habt.“ Sie
erklärte: „Es gibt am Ende dieses Weges ein kleines Gasthaus, in dem
die Pferdehändler übernachten, wenn sie hier vorbeiziehen, da können
wir heute nacht bleiben, aber wir müssen zusehen, dass wir unsere Ausrüstung
so vervollständigen, dass wir nicht mehr so teuer absteigen müssen.“
Sie
waren jetzt schon den ganzen Tag lang dem Weg gefolgt, als sie auf das
besagte Gasthaus trafen. Dank Riallas großer Überredungskunst überließ
ihnen der Wirt schließlich,
trotz ihrer kargen Zahlungsmittel, ein Zimmer für eine Nacht. Er
betrachtete Rialla dabei so lüstern, dass Siany darauf Aufmerksam
wurde, aber sie
äußerte sich erst einmal nicht dazu! ”Aber nicht länger
als eine Nacht”,
schnauzte er, ”Ich bin doch kein Heim
für dahergelaufene Jugendliche.” Rialla knurrte nur leise in sich
hinein und Siany verzog ärgerlich das Gesicht. Wären sie nicht so
durchgefroren gewesen, hätte dieser widerwärtige Mensch etwas erleben
können. Das
kleine Zimmer besaß einen winzigen Kamin, in
dem sie
sofort ein Feuer entfachten. Während Siany und Rialla dicht am Feuer saßen
und ihre Hände in die Nähe der Flammen hielten, saß Elaine auf dem
Fensterbrett und starrte in die Nacht. Sie hatte ihren klobigen
Kapuzenmantel noch immer
um sich gewickelt und war vollkommen in Gedanken versunken. „Zu
unserem Glück fehlt uns eigentlich nur noch etwas Anständiges im
Magen”, bemerkte Siany und Rialla grinste. “Ich kenne ein paar
Jungs, die hier arbeiten! Die zweigen bestimmt noch etwas für uns ab.
Ich werdegleich
mal nach ihnen sehen” , sie zwinkerte Siany verheißungsvoll zu. “Ja,
mach das”, rief diese ihr nach und scherzte dann, während
sie sich Elaine zuwandte, “Kaum aus dem behüteten Dorf gelassen, ist
kein junger Mann mehr vor ihr sicher!”
Aber
Elaine schien gar nicht zugehört zu haben. Siany trat an sie heran und
warf sich ihren langen rotblonden Zopf von der Schulter in den Nacken. “Was
schaust du dir dort draußen denn an”, fragte sie besorgt. „Es
ist Vollmond”, antwortete Elaine sehnsuchtsvoll, “ist er nicht schön!?”
Siany
runzelte verwundert die Stirn. “Du kannst ihn ja mit den Wölfen
anheulen”, schlug sie belustigt vor, da sie wusste,
dass
Elaine ein besonderes Verhältnis zu den grauen Rudelwesen
hatte, so wie
sie selbst zu jedem Pferd und Rialla zu Katzen. Sie wurde jedoch gleich
wieder ernst. “Da gibt es doch noch etwas was dich bedrückt”, mutmaßte
sie. Siany konnte ihre Freundinnen schon sehr gut einschätzen und
merkte immer sofort, wenn etwas nicht stimmte. “Ja”,
seufzte Elaine, “die Zauberin Lyra gab mir etwas zu verstehen, was überhaupt
keinen Sinn macht und außerdem....” “Hör
auf dir über sie Gedanken zu machen”, unterbrach Siany sie
beschwichtigend und legte ihre kräftige Hand auf Elaines schmale
Schulter, “sie hat schon immer gewusst, wie sie dich einschüchtern
konnte.” Verzagt
schaute Elaine ihrer Freundin ins Gesicht, wollte noch
etwas hinzufügen, da wurde plötzlich
die Tür aufgerissen und Rialla stürmte herein. Krachend warf sie die Tür
hinter sich zu. Sie war außer Atem und ihre Wangen waren gerötet. “So
ein Dreckskerl”, schimpfte sie keuchend. Unten
im Flur hörte man eine
tiefe Stimme brüllen,
woraufhin weitere Männerstimmen laut wurden und eilige,
dumpfe Schritte auf den Holzdielen zu hören waren. Offensichtlich
wütend, warf Rialla ein Bündel, dass sie aus ihrem Halstuch gemacht
hatte, auf
eines der Betten. Sie schnappte immer
noch nach
Luft und versuchte
erklärende Worte von sich zu geben, da bewegte sich der Türgriff. Mit
einem Sprung standen Siany und Rialla an der Tür. Auch Elaine erwachte
aus ihrer Lethargie und sprang vom Fensterbrett. Ihre Lippen waren zu
einer dünnen Linie gepresst und ihre Augen glühten. Sianys Augen
leuchteten ebenfalls unheilverheißend. „Was
hast du gemacht?“, fragte Siany. „Ich?
Ich habe was zu Essen besorgt und bin auf dem Rückweg vom Stall dem
Wirt begegnet. Er glotzte mich an und sabberte! Was hättest du
gemacht?“ Bevor
sie weiteres erklären konnte, versuchte jemand von außen die Tür
einzuschlagen und brüllte dabei: „Komm raus du Miststück, erst
machst du mich mit deinen scharfen Hosen heiß und dann schlägst du
mich...!“ Also
das war es. Weil Rialla immer freie Bahn zum zuschlagen brauchte, trug
sie schon lange nicht mehr die üblichen Röcke, die einer
Kriegerin nur hinderlich wären. „Willst
du dich mit uns anlegen?“, Siany baute sich in der Tür auf, „Wir
haben für diese Absteige bezahlt und wollen nur in Ruhe gelassen
werden.“ Der
Wirt war sichtlich unbeeindruckt, „Ach, und was wollt ihr drei kleinen
Mädels gegen mich unternehmen wenn ich etwas anderes im Sinn habe?
Weinen?“ „Nun
ja,...“ Siany blickte über ihre Schulter zu den anderen; Elaine ließ
eine kleine Flamme von einem gestreckten Finger zum nächsten springen
und Rialla hatte endlich ihr Schwert aus dem Bündel geholt. Siany
drehte langsam ihren Ohrring und lächelte den Wirt an, der schlagartig
etwas nachdenklicher wirkte und hastig rückwärts von der Schwelle
trat. „Was
ist los Chef?“ wollte der Knecht, der die ganze Zeit hinter ihm
gestanden hatte, wissen. „Gehen
wir“, entgegnete der Wirt. Der verdatterte und alles andere als
intelligente Knecht folgte seinem Herrn die Treppe hinunter und
brummelte leise vor sich hin: “hmb, hmbl, blöde Weiber...“. „Oh,
Mann, das war knapp.“ Siany
verriegelte die Tür hinter dem Wirt und
atmete auf,
„Wie wird das denn erst wenn ich auch in Hosen rumlaufe? Sind wir dann
vor keinem geilen Bock mit übersteigertem Selbstwertgefühl mehr
sicher?“ „Also
ich werde mein Schwert jetzt nicht mehr ablegen“ , beschloss Rialla,
„dass sollte als Abschreckung reichen.“
Elaine
nickte: „Du solltest deinen Dolch auch lieber in deinen Gürtel als in
deinen Stiefel stecken Siany.“ Siany
lachte: „Dann musst ich aufpassen, dass er mir nicht geklaut wird.“
Sie kicherte, „dir reicht deine Magie, wer dich angrabscht der
verbrennt sich, im wahrsten Sinne des Wortes, die Finger.“ Rialla
ging zu einem der Betten und reichte Siany den Beutel: „Wir können
froh sein, dass der Wirt deinen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat. Wäre
er genau so blöd wie sein Knecht, hätten wir vielleicht wirklich kämpfen
müssen.“ Siany
und Elaine nickten. „Na ja, vergessen wir es einfach, das wird uns
nicht noch einmal passieren.“ „Nein,“
erwiderte Elaine, „ab jetzt werden wir besser aufpassen. Was gibt es
denn jetzt eigentlich zu essen?“ Siany warf einen Blick in den
provisorischen Beutel: „Tja, ich würde sagen Käsebrote. Wer will
was?“ Kurze
Zeit später saßen sie auf einem der Betten und unterhielten sich, während
sie geröstetes Brot und halb geschmolzenen Käse aßen. „wie sah es
im Stall aus, Rialla? Hat der Idiot Pferde die wir gebrauchen könnten?“
„Nein,
ich glaube das sind alles alte Tiere, aber ich würde vorschlagen, dass
du sie selbst noch einmal begutachtest, Siany.“ „Gut,
dass mache ich noch heute Abend, wir könnten zumindest ein Packpferd
gebrauchen, ich jedenfalls fühle mich,
als ob ich heute einen Sack Ziegelsteine geschleppt hätte.“ Vor
sich hingähnend schlurfte Siany die Treppen des Wirtshauses hinunter.
Rialla und Elaine lagen schon friedlich schlafend in ihren Betten. Sie
waren, kaum das sie lagen, in tiefste
Träume versunken. Siany
hätte sowieso keine Ruhe finden können, bevor sie nicht den Stall begutachtet
hatte. Mit
finsterer Miene sah sie sich in dem düsteren Flur um, dann schlüpfte
sie durch die Eingangstür nach draußen. Sie schlich um das Wirtshaus
herum, einen geschwungenen Trampelpfad entlang und fand dann, hinter ein
Paar Bäumen versteckt, einen Stall.
Sie hörte schon von draußen
leises Schnauben und Wiehern.
Mit leisem
Quietschen und Krächzten
ließ sich die Tür aufschieben. Aufmerksam blickten sofort alle Pferde
auf und reckten ihr die Hälse entgegen. Siany
seufzte
leise auf, Rialla hatte recht gehabt. Es waren zwar gesunde, recht
ansehnliche Pferde, aber
zu alt um mit ihnen noch irgendein
Abenteuer zu erleben und darauf würde es, wie sich heute gezeigt hatte,
hinauslaufen.
Sie wollte sich schon umdrehen und den Stall enttäuscht wieder
verlassen, da bemerkte sie ein junges Tier ganz hinten in der Ecke. Es
hatte den Kopf gesenkt und blickte
starr auf den Boden. Irgend
etwas
stimmte mit diesem Tier
nicht, das wusste
Siany schon bevor sie es
ganz
gesehen hatte. Sie
näherte sich dem Pferd
vorsichtig.
Sanft streichelte sie es am Hals und begutachtete die geschwollene
Fessel des Hinterlaufs. Da kam ihr eine
Idee. Langsam und leise, damit die Pferde nicht aufgeschreckt wurden,
verließ sie wieder den Stall. Auf geradem Weg und schnellen Schrittes
ging sie zum Zimmer des Wirtes, klopfte energisch an dessen Tür und
wartete ungeduldig. Ein ärgerliches Brummen wurde hörbar. Mit vor Müdigkeit
geröteten
Augen öffnete der fette Wirt die Tür. Mürrisch blickte er in Sianys
entschlossene Miene. Als er erkannte wer der späte Störenfried war,
erhellte sich sein Gesicht etwas. „He, he“, freute er sich, „Na
Lady, willste dich jetzt entschuldigen?“. Überlegen kratzte er sich
am Kinn. Siany musste sich schon sehr zusammenreißen um ihm nicht ins
Gesicht zu schlagen. Sein schmieriges Grinsen und diese unverschämten
Blicke widerten sie an. „Wir
brauchen ein Pferd für unsere Weiterreise“, erklärte sie ihm mit
fester Stimme. „Und ich dachte, da sie so ein tüchtiger Geschäftsmann
sind, haben sie bestimmt eins für uns über“, fügte sie
schmeichlerisch hinzu. Ab und zu war sie eben doch zu überzeugender
Schauspielerei fähig, was sie
ihm gleich
noch näher beweisen würde. Der
ungepflegte Mann grummelte etwas unverständliches in seinen Bart und
meinte dann: „Warte bis ich mir meinen Mantel übergezogen habe, dann
können wir ja mal in meinem Stall nachsehen, ob ich etwas für euch
habe!“ So
standen sie nach einer Weile wieder in dem Stall.
Der Wirt drehte sich kurz um seine Achse, wandte sich Siany zu und
schlug vor: „Ich habe da ein sehr zutrauliches und kräftiges
Pferdchen für euch, das ich dir für gutes Geld überlassen würde.“ Er
rieb sich schon die Hände, ging auf das kranke Tier in der hintersten
Ecke zu und fuhr fort: „Wie wäre es mit diesem hier? Es ist nur etwas
müde, ansonsten ist es das beste Pferd im Stall!“ Mit
einem breiten Grinsen entblößte er seine fauligen Zähne. Das Siany
eine Menge Ahnung von Pferden hatte, konnte er ja nicht ahnen. Siany
nickte langsam und schaute ihm mit gespieltem Augenaufschlag ins
Gesicht. „Wir
haben aber nur sehr wenig Geld und dieses Tier ist bestimmt sehr
teuer“, seufzte sie. Der
übergewichtige Mann legte kameradschaftlich einen Arm um sie, und Siany
riss sich sehr zusammen, um ihm nicht auf die Füße zu kotzen. „Als
Beweis das ich euch nichts Böses will, werde ich einen Sonderpreis
machen“, war seine Idee. Insgeheim war er sehr froh dieses kranke Tier
loszuwerden, denn er war sicher, dass dieses Pferd nie mehr richtig
laufen werden könnte. Schnell
wurden sie sich über eine Summe einig, der Kauf wurde mit einem
Handschlag besiegelt und beide zogen sich strahlend auf die Zimmer zurück.
Siany natürlich zu den Freundinnen, und nicht wie der Wirt insgeheim
gehofft hatte mit zu ihm. Als
Siany in das Zimmer kam und die beiden anderen schlafend vorfand,
beschloss sie, sie nicht zu wecken. Sie legte sich, nachdem sie die Tür
sorgfältig verriegelt hatte, auf ihr Bett und schlief sofort ein. Am
nächsten Morgen weckten Rialla und Elaine sie erst, als schon alle
Sachen gepackt und fertig verschnürt waren - Freundinnen! Siany erzählte
ihnen sofort dass sie ein passendes Pferd gefunden und gekauft hatte und
die beiden freuten sich sehr darüber. „Welche
Farbe hat es?“, wollte Elaine neugierig wissen,
„Ihr
werdet es ja gleich sehen und denkt daran, wir haben keine Ahnung von
Pferden!“ „Was
mich angeht stimmt das sowieso“, bemerkte Elaine. „Habt
ihr schon gefrühstückt?“, wollte Siany von Rialla wissen. „Nein
wir haben auf dich gewartet weil wir beide noch nicht so großen Hunger
hatten, es ist ja auch noch ziemlich früh.“ „Ja
und was machen wir? Essen wir jetzt oder wollen wir dieses Wanzenloch so
schnell wie möglich verlassen und unterwegs essen?“ „Ich
würde sagen, wir sehen zu dass wir wegkommen bevor der Wirt noch
unangenehmer wird und uns auch noch den Appetit verdirbt.“ Also
nahmen sie ihre Bündel und machten sich auf den Weg zum Stall um ihr
krankes Pferd zu holen. Der
Wirt freute sich so über den Verkauf des lahmen Tieres, dass er,
nachdem er ihnen sogar noch etwas zu Essen mitgegeben hatte,
freudestrahlend hinter ihnen herwinkte. Als
sie weit genug entfernt waren und sich unbeobachtet genug fühlten
hielten sie an. Siany
verteilte die Aufgaben. „Elaine halt bitte mal“, sagte sie und drückte
ihr die Zügel in die Hand. „Und du kannst mal eben schnell den
Packsattel abnehmen, Rialla.“ Sie
hatten alle so getan als ob sie gar nicht bemerken würden dass das
Pferd stark lahmte aber jetzt war es genug. Siany streichelte ihm den
Hals und flüsterte beruhigende Worte in sein Ohr damit es stillhielt.
Dann beugte sie sich nach unten und untersuchte das Bein noch einmal
genauer. Sie
sammelte ihre Kraft und strich leicht mit den Händen über die
geschwollene, heiße Fessel. Das Pferd spitzte die Ohren und drehte den
Kopf um zu sehen warum die Schmerzen nachließen. Das Bein schwoll
sichtbar ab und Siany führte das Pferd ein paar Mal hin und her um zu
sehen wie es jetzt lief; danach befühlte sie noch einmal das Bein aber
die Wärme war verschwunden. Weil
sie schon dabei war untersuchte sie auch noch den Rest des Tieres und
konnte feststellen das es völlig gesund war. Sie selbst hatte jetzt
allerdings einen ziemlichen Hunger. Sie
hatten an einer Stelle gehalten an der sie, auf Steinen sitzend, bequem
essen konnten. Was der Wirt eingepackt hatte war wesentlich erfreulicher
als es sein Anblick gewesen war und sie achteten darauf auch noch genug
für weitere Mahlzeiten aufzuheben. Als sie fertig waren fragte Elaine:
„Können wir dem Pferd jetzt unsere Taschen aufladen oder müssen wir
es noch eine Zeitlang schonen, Siany?“ „Nein,
wir können ihm unsere Bündel aufladen, sein Bein wird zwar erst morgen
voll belastbar sein, aber so schwer sind unsere Sachen ja nicht.“ Während
sie das Pferd beluden, das geduldig wartete, fiel Rialla ein: „Wir müssen
uns noch einen Namen ausdenken, wie sollen wir es sonst rufen; oder hat
der Wirt dir einen gesagt?“ „Nein,
hat er nicht, aber wir haben ja genug Zeit um uns einen auszudenken.“
Während Siany überlegte nahm sie dem Pferd das Zaumzeug samt Gebiss
ab. „Das brauchst du nicht mein Kleiner“,
murmelte sie, während sie aus einen Stück Seil ein lockeres Band knüpfte
und es ihm um den Hals legte. „Meinst
du das reicht?“ fragte Elaine, die sich am wenigsten mit Pferden
auskannte. Siany
demonstrierte es. Sie ließ das Pferd los und bedeutete den anderen ein
paar Schritte an die Seite zu gehen. Das Pferd war sichtlich irritiert.
Dann ging Siany fast 50 Schritte weit voraus und blieb dann stehen. Sie
sah das Pferd an und pfiff ganz leise um seine Aufmerksamkeit zu wecken.
Ein Blick genügte und das Pferd trabte an ihre Seite und lief ihr auf
dem Rückweg wie ein Hund hinterher. Siany lobte es und streichelte ihm
über die Nase, der Wallach war sichtlich verzückt. „Der
ist ja ganz verrückt nach dir!“, stellte Rialla fest. Nach
dieser Vorführung marschierten die vier weiter, um die Last ihrer Bündel
erleichtert. Der Weg führte
bergab und wurde weniger
steinig und breiter als oben in den Bergen. Von
einem Felsvorsprung aus, konnten sie den Weg mit Blicken verfolgen, bis
er in einen Wald führte. Es war ein langer Weg, bis sie den Wald am
Nachmittag erreichten und sie waren nur eine kurze Strecke gegangen, als
sie in ihm den Weg verloren hatten. Es
dämmerte bereits als die drei Abenteurerinnen im Wald auf eine Lichtung
stießen. Sie hatten
beschlossen das Pferd Grizo zu nennen. „Lasst
uns diese
Nacht unser Lager hier aufschlagen, ich mag nicht mehr weiterlaufen“,
schlug Rialla vor und begutachtete
die Gegend um sie herum. „Eigentlich
wollte ich den heutigen Abend schon in der Stadt verbringen“, murrte
Siany. „Nun,
es ist trocken, schön weich,
mit Moos überall,
trockenes Holz ist auch vorhanden..." "Es
ist ideal für uns!“, entgegnete Rialla nur
und gähnte herzhaft. Elaine
runzelte die Stirn und sah sich unsicher um. Ihr Blick schweifte suchend
zwischen den Bäumen hin und her. Mit den Fingern massierte sie ihre
Schläfen, schon seit sie diesen Wald betreten hatten, machten sich
wispernde Stimmen in ihrem Kopf breit. „Ich
habe ein ungutes Gefühl an diesem Ort, ich bin fürs Weiterlaufen.
Vielleicht ist die Stadt näher als wir denken“, meinte sie schließlich.
„Was
meinst du mit vielleicht?“, wollte Siany verwundert wissen, „setze
deine seherischen Fähigkeiten ein!“ Elaine
schüttelte daraufhin mit dem Kopf. „Geht nicht, irgend etwas
blockiert mich“, kommentierte sie. „Ach
was, du bist einfach nur müde. Gib es doch zu“, wiedersprach Rialla
und schnappte sich schon einen der Rucksäcke von Grizo´s Rücken. Der
Graue blickte geduldig von einem zum anderen und stupste Siany dann in
die Seite. „Was?“,
fragte sie ihn. Das Tier schnaubte zur Antwort und warf seinen Kopf zur
Seite. „Ja, wir bleiben hier und du kannst gleich in Ruhe grasen“,
beruhigte Siany ihn und strich ihm sanft über die Nüstern. Damit
war es beschlossene Sache hier zu übernachten und Elaine seufzte leise.
„Du
legst einfach einen Schutzzauber über uns, damit kann uns überhaupt
nichts passieren“, schlug Siany Elaine vor, widmete sich dann aber
sogleich Rialla und dem Zeltaufbau. Während
die beiden so hin und her stritten wie und wo oder womit was befestigt
wird, kümmerte sich Elaine wie in Trance um das Lagerfeuer. Sie
bastelte mit Hölzern eine kleine Pyramide und legte einen großzügigen
Steinkreis drum herum. Dann trug sie einen großen Stapel Holz zusammen
und kratzte Zeichen ins Moos um den Kreis. Die Zeichen sollten den
Erhalt des Feuers bewirken! Schließlich hockte sie sich daneben, die
anderen setzten sich hinzu als sie mit dem Zeltbau zufrieden waren. Aufmerksam
sahen die beiden ihr zu, wie sie ein Beutelchen aus ihrer Rocktasche zog,
einige schwarze
Krümelchen herausholte und
sie zwischen Daumen und Zeigefinger zerrieb.
Sie murmelte ein paar unverständliche Worte, warf ruckartig das Pulver
ins Reisig und sofort
funkte es
auf und die Äste entflammten. Genau in dem Moment zuckte Elaine heftig zusammen;
ihr war als würde ein heftiger Schmerz durch ihren Kopf fahren! "Was
ist mit dir“, fragte Siany nun doch langsam besorgt. Elaine
schüttelte nur den
Kopf und erwiderte leise;
„Nichts, schon gut“, während sie das Feuer weiter
mit Holz nährte.
„Ich denke, ich brauche eine Mütze voll Schlaf“, bemerkte sie und
stand schwankend auf. Ihr
war schwindelig. „Ja,
leg Dich etwas hin, danach wird es dir bestimmt besser gehen“, war
auch Sianys Meinung, als sie Elaines Arm ergriff, damit diese nicht zu
Boden sackte. Elaine nickte und kroch ins Zelt. Siany und Rialla
beschlossen, sich in die Decken einzuwickeln und noch am Lagerfeuer
sitzen zu bleiben. Verträumt
sah Siany in die tanzenden Flammen, ihre Augen funkelten im Schein.
„Ich liebe Lagerfeuer, sie strahlen so eine Gemütlichkeit aus“,
meinte sie schließlich.
„Oh,
ja“, stimmte Rialla ihr zu und kuschelte sich tiefer in die Decke. Währenddessen
rang
Elaine im Zelt mit ihrem
Bewusstsein. Sie lag
auf ihrer Decke und zitterte am ganzen Leib. Kleine Schweißtröpfchen
bildeten sich auf ihrer Stirn. Sie hatte das Gefühl, als stünde sie
vor einem tiefen dunklen Abgrund. Mit einem Mal gaben ihre Kräfte nach
und ihr Bewusstsein
stürzte in eine schwarzes, weites Loch,
ohne Boden. Draußen
brach langsam die Nacht herein.
Es knisterte und raschelte im Gebüsch zwischen den Bäumen. Aber keine
Tierlaute waren zu hören. „Hat Elaine noch einen Schutzzauber
ausgesprochen, bevor sie sich ihren Träumen hingab?“,
fragte Rialla. „Ich
glaube nicht“, überlegte
Siany und rief nach Elaine. Es kam keine Antwort, nichts rührte sich im
Zelt. „Sie
schläft wahrscheinlich wie ein Stein, du kennst sie doch, die verschläft
das ärgste Gewitter“, vermutete Rialla und seufzte:
„Dann muss
ich wohl mein kostbares Zaubermehl dafür opfern.“ Tadelnd
erwiderte Siany: “
Nun tu mal nicht so.“ „Ich
habe doch nicht soviel davon“, grollte Rialla,
setzte aber sogleich hinzu, „Aber wenn es sein muss.“ Rialla
stand auf
und ging zu ihrem Bündel
hinüber. Grizo wieherte, zuckte nervös mit dem Schweif und trabte in
die Nähe der Beiden. Seine Ohren klappten
vor und zurück und erregten
dadurch Sianys Aufmerksamkeit. Sie
sprang sofort auf,
klopfte ihrem grauen Freund beruhigend auf den Hals und sprach beruhigend
auf ihn ein. Rialla
hatte schon einen kleinen Beutel hervorgeholt und machte eine Runde um
ihr Lager. Sie hinterließ
eine Spur weißen Pulvers, welches sie selbst
Zaubermehl nannte. Niemand konnte diese so harmlos aussehende Grenze von
außen passieren ohne dabei außer Gefecht gesetzt zu werden. Man konnte
von innen einen Lösungszauber sprechen wenn man die Wirkung aufheben
wollte oder man ging
einfach weiter. Nach einem Tag löste es sich auf und war verbraucht. Ein
kleines Steinchen traf Rialla am Knöchel, eine Eichel an der Hüfte. Ärgerlich
wirbelte diese herum und suchte ihre Umgebung mit den Augen ab. Dabei
schwenkte sie mit dem Zaubermehl ab und hinterließ eine Lücke, die sie
nicht bemerkte. „Mach
schon“, drängte Siany sie, während sie immer noch versuchte das Pferd
zu beruhigen, welches mit den Hufen scharrte. So
beeilte sich Rialla und übersah die Lücke erst recht. Eine morsche
Baumwurzel und Steine machten die Lücke unsichtbar.
Während Rialla ihr Säckchen wieder verstaute, berichtete sie Siany:
„ Da ist etwas zwischen den Bäumen, was
mich ärgern will.“
Grizo
war zwar inzwischen ruhiger geworden und lehnte mit dem Kopf an Siany,
seine Ohren waren aber noch angelegt. „Unserem
Grizo gefällt das auch nicht“, wies Siany Rialla darauf hin. Beide
setzten sich wieder ans Feuer. Rialla schaute immer wieder über ihre
Schultern zwischen die Bäume. „Du kannst doch eh nichts sehen, es ist
viel zu dunkel“, stellte Siany fest. Plötzlich zuckten sie beide gleichzeitig
zusammen und spähten in
Richtung Waldsaum. Dort
wurde es laut im Geäst, es knisterte, knackte und raschelte. Winzige,
weiße glühende Punkte, blinkten in den Schwärzen des Waldes auf. „Was
ist denn das?“ fragte
Siany laut. Hohe
Stimmchen kicherten zur Antwort. Weißglimmende
Lichter, wie Sterne, sanken
aus den Baumwipfeln zu Ihnen herab
und surrten um die Lichtung. Dann
aber,
wurde es
schlagartig ruhig. Es waren nur noch die umherschwirrenden Irrlichter zu
sehen. „Glühwürmchen?!“,
mutmaßte Rialla. „Wohl
kaum, nicht in der Größe“, widersprach Siany und wollte dann von
Rialla leise wissen: „Hörst du sie auch singen?“ „Es
klingt wie ein Summen“, war die Antwort. Keines
der beiden Mädchen wagte sich zu rühren. Als
die Lichter sich einzeln dem Boden näherten, vergrößerten sie sich.
Erst wurde ein zartes Gesicht daraus, dann folgte ein schmaler kleiner Körper
mit flatternden Hemdchen und fast unsichtbaren
Flügeln. Die
zierlichen Füße berührten kaum den Boden. „Ich
heiße Euch herzlich willkommen in unserem Wald“, wehte eine helle
Stimme melodiös zu ihnen herüber, wobei nicht
zu erkennen war woher sie kam. Elaines
Körper lag leblos im Zelt. Irgendwo aber,
irrte ihr Geist in langen
erdigen Gängen
ohne Licht umher. Dort war sie auf lehmigem
Boden erwacht, ohne eine Idee zu haben wo sie gelandet war. Sie
rief nach ihren Freundinnen,
erst leise und dann lauter. Die
Stille um sie herum schluckte jegliches Geräusch. Selber hatte sie ja
auch noch gar keine Ahnung das ihr realer Körper sich noch immer im
Zelt auf der Lichtung befand. Mutlos
machte sie sich auf die Suche zurück! Irgendwo musste
es doch einen Ausweg geben? "Ich
danke dir, auch im Namen meiner Freundinnen." ,erwiderte Siany und
verbeugte sich leicht in Richtung Stimme; Rialla amte
ihre Geste nach und flüsterte:
"Es
sind Elfen!" Siany
nickte. Dann
bot Rialla
an: "Wenn ihr mögt, kommt an unser Feuer und leistet uns
Gesellschaft." Siany
und Rialla wussten, dass man sehr höflich zu Elfen sein sollte, da sie
über große Zauberkräfte verfügten und diese auch einsetzten wenn sie
sich bedroht fühlten. "Wir
würden euch gerne Gesellschaft leisten, aber das Feuer wird und
verbrennen wenn wir näher kommen." , im Hintergrund wisperte es
:"Feuer ist schlecht, vor allem im Wald." "Oh,
dann werden wir es löschen", sagte Siany und nachdem sie Elaines
Zeichen verwischt hatte warf sie einige Handvoll Sand auf das Feuer, so
dass es zu einem Haufen erdbedeckter Kohlen zusammensank. Dabei sagte
sie zu den Elfen: "Es tut mir Leid, dass ich euch meine andere Gefährtin
nicht vorstellen kann, aber sie fühlte sich nicht gut und hat sich
schlafen gelegt, ich werde mit eurer Erlaubnis gleich einmal nach ihr
sehen.“ Die
Elfe, die die meiste Zeit gesprochen hatte, nickte Siany zu und diese
kroch ins Zelt um nach Elaine zu sehen. In der Zwischenzeit wurden die
Elfen neugieriger und fragten Rialla aus. Rialla
erläuterte gerade Weg, Ziel und Grund der Reise als Siany feststellte,
dass Elaine nicht in einen natürlichen Schlaf gefallen war. Sie
untersuchte sie mit ihren Heilersinnen, konnte aber nur feststellen dass
Elaines Geist sich nicht in der Nähe ihres Körpers befand und sie
nicht in der Lage war sie zu wecken. "Rialla musste diese Neuigkeit
auch erfahren", dachte Siany, aber gerade als sie sich umdrehte
rief diese nach ihr. Siany setzte sich wieder neben sie an das Feuer und
beobachtete die Elfen. "Siany,
sie haben mir gerade erzählt das Elaine nicht schläft... " „sondern
sie ihren Geist irgendwohin versetzt haben" setzt Siany fort, bemüht
ihren Ärger zu verbergen. „Sie
hatten Angst vor Elaines Feuermagie und haben sie außer Gefecht
gesetzt." "Es
geschah nur zum Schutz des Waldes." , hörte man ein paar Stimmchen
im Hintergrund. "Sie
hätte eurem Wald nichts angetan... " "Das
wissen wir jetzt auch und wir werden euch helfen sie zurückzuholen und
auf eure Körper aufpassen während ihr sie sucht, "Gibt
es keine andere Möglichkeit?" , begann Siany. "Nein,
aber ich werde allein gehen." , sagte Rialla "wenn ich schon
meinen Körper verlassen muss fühle ich mich wesentlich besser, wenn
ich weiß dass du darauf aufpasst." „Aber
wäre es nicht besser wenn diejenige mit der meisten Kampferfahrung hier
bliebe?" "Mein
Schwert kann ich nicht mitnehmen und du kämpfst auch nicht schlecht
wenn du musst. Und nur du kannst mit mir einen Bewusstseinsfaden knüpfen
und mir den richtigen Weg zurück zeigen." "In
Ordnung", seufzte Siany resignierend, "machen wir es so".
Kaum
hatte Rialla sich neben Elaine hingelegt und Siany sie, mit Hilfe der
Elfen, in diesen mysteriösen Schlaf gebannt, fand sie sich in der
Dunkelheit wieder. Es war kalt, es roch modrig und Feuchtigkeit lag in
der Luft. Rialla
richtete sich sofort auf und wurde je in ihrem Tatendrang gestoppt. Ein
Schwindel erfasste sie, ihre Beine knickten ein und mit dem Kopf stieß
sie schmerzvoll an eine Baumwurzel, die über ihr entlang wucherte. Als
sie sich dann an den Wänden abstützte, griffen ihre Hände in feuchte
Erde. „Ähh,
Igitt!“ Schnell ließ sie davon ab und sank zurück auf den Boden. Sie
seufzte schwer. Blinzelnd versuchte sie vor sich in die Dunkelheit zu spähen.
Sand rieselte auf sie hinab. „Na,
wunderbar“, sprach sie ihre Gedanken aus, fluchte leise und fragte
sich, so sie hier eigentlich gelandet war. „Elaine“, rief sie
laut,“ Elaine bist du hier?“ Leise
gab sie ein Knurren von sich, als nach ein paar Minuten immer noch keine
Antwort kam. „Wäre ja auch zu schön gewesen“, ärgerte sie sich. Vorsichtig
streckte sie einen Arm nach oben aus, um zu ertasten wie weit sie sich
erheben konnte. Gebückt versuchte sie sich dann den Weg voran zu
bahnen. Dann blieb sie stehen und suchte den gedanklichen Faden zu Siany,
den sie zueinander geknüpft hatten. Konnte Siany ihr nicht den Weg
weisen oder ihr vielleicht nur einen kleinen Tipp geben, wie es nun
weitergehen sollte. Sie spürte Sianys Präsenz in ihrem Bewusstsein und
fühlte das dieser gehaltene gedankliche Faden Siany schwächte. Siany
hatte es ihr ja auch erklärt, das diese Verbundenheit nur dazu diente,
das sie merken würden, wenn einer von ihnen in Schwierigkeiten geriet.
Und auf alle Fälle, damit Rialla nicht verloren ging, wie Elaine. So
konnte sie also keinen telepatischen Kontakt zu Siany herstellen. Im
Prinzip waren sie jetzt alle drei auf sich gestellt und ihr Trio war
auseinandergerissen. „Hatten die Elfen das vielleicht geplant, schoss
es Rialla durch den Kopf. Einzeln waren sie schließlich viel
verletzbarer. „Ey,
schläfst Du?“ quiekte da plötzlich Jemand oder etwas in ihrer Nähe.
Verärgert
versuchte sie herauszufinden, woher diese Stimme gekommen war. Es
stupste etwas knubbliges
Kurzes in ihren Bauch. „Hey,
du!“, meldete sich diese drollige Stimme wieder zu Wort. Ohne
lange darüber nachzudenken fasste sie mit beiden Händen vor sich und fühlte
Fell zwischen den Fingern und einen Kopf. Ziemlich zottelig, mit einer
Nase wie ein Gummiball und Ohren wie ein Teddybär ertastete sie am Kopf
ihres neuen Bekannten. Geduldig ließ das Wesen diesen Übergriff über
sich ergehen. Als Rialla dann, immer noch nicht schlauer, von diesem
Fremden abließ, hatte sie nun auch eine kleine lederne Hand im Gesicht,
die ihr in die Nase kniff. „Ist
das so eine Art Begrüßung“, gluckste dieses Wesen. Reflexartig
schlug Rialla vor sich. Erst Sekunden später hörte sie in einiger
Entfernung ein Geräusch wie ein Plumpsen und ein beleidigtes: „Aua,
nicht nett“, und nach einer kurzen Pause wieder ein „Nicht nett“,
von weiter weg. Darauf folgte dann ein Grunzer oder doch mehr ein
Schnorcheln? Rialla
versuchte zweifelnd in dieser Richtung etwas zu erkennen. „Bis du noch
da“, fragte sie zaghaft und es tat ihr leid, das sie immer gleich s
borstig reagierte. „Jaaa“,
kam es gedehnt, aber immer noch mit einem beleidigtem Unterton aus
einiger Entfernung „Wer
bist du?“ wollte sie wissen, und versuchte dabei sehr freundlich zu
klingen. Denn sie wusste auf alles Neue reagierte sie immer sehr barsch,
und sie wollte diese neue Bekanntschaft auf gar keinen Fall wieder
vertreiben. Es bedeutete Gesellschaft und vielleicht kannte sich dieses
Wesen hier unten ja aus. „Wer
bist du?“ kam von diesem Unbekannten dieselbe Frage zurück. „Ich??“,
frage sie ganz verwirrt. „Jaa“,
erwiderte es bittend,“ oder hast du dein Gedächtnis verloren?!“ Es
gab ein gackerndes Lachen von sich. Sie
stöhnte genervt auf und rieb sich die Augen, die ihr von den
anstrengenden Versuchen in der Dunkelheit zu sehen brannten. Sie hörte
wie das Wesen näher heran hüpfte. „Hast
du... Schmerzen??“ fragte es mitfühlend. „Hör
zu“, versuchte Rialla nach einer Weile zu erklären, „ich habe keine
Ahnung wo ich hier und ich muss eine verlorene Freundin finden. Es ist
wichtig!“ „Oh,
Oh“, gab es von sich. „Du
sagst es“, war Rialla´s Kommentar dazu. „Du
kannst in der Dunkelheit nichts sehen, stimmt´s“, vermutete ihr neuer
Freund. „Sehr
scharfsinnig erkannt“, murrte Rialla auf und fragte dann sanftmütiger,“
du etwa!“ „Oh
ja! Ja, ja“, quäkte es, „Woogi kann alles sehen! Sehr gut sogar.
Und gerade jetzt sieht er traurige Kämpferin, die sich verirrt hat!“ „Das
siehst Du gar nicht mal so falsch, Woogi“, meinte Rialla anerkennend,
„Glaubst du, das du mir helfen kannst!“ „Aber
klar“, kam aufgeregt die prompte Antwort, „helfe dir gern. Du möchtest
mehr sehen, ich Dich hinführen! Kaum ausgesprochen, griffen auch schon
die kleinen kurzen Finger wieder nach ihr. Aber diesmal zogen sie an
ihrem Ärmel. „Komm mit, komm mit“, wies es an. Rialla hatte Mühe,
dem aufgedrehten Woogi gebückt und stolpernd zu folgen. „Wo
führst du mich hin“, wollte sie neugierig wissen. „Wirst
schon sehen“, war die kurze Antwort. Als
Woogi plötzlich ohne Vorwarnung stehen blieb, prallte Rialla gegen ihn
und fiel über ihn hinweg in einen beleuchteten wesentlich größeren
Schacht. Staunend
sah sie um sich. Dieser neue Schacht war sogar mit hölzernen Balken
gestützt. Aber Woogi drückte sie wieder in den dunkleren Gang.
„Nicht so schnell, nicht so schnell. Hier gefährlich“, warnte er flüsternd.
„Warum,
was hast du?“, fragte Rialla sofort und ihr kämpferischer Instinkt
war geweckt. „Wer oder was ist gefährlich?“ Woogi
berichtete ihr in wenigen Worten, was er wusste. „Hier mal Menschen
gearbeitet, mit Schaufel und Karren. Ich beobachtet, war lustig. Aber
dann Unglücke passiert mit Menschen. Unfälle. Sie sind dann geflohen.
Einer über mich gestolpert und gesagt „Vorsicht Kleiner, der Stollen
ist verflucht.“ Er beendete seine Erzählung mit kräftigem Nicken.
Rialla kam sofort auf die Idee, das hier wohl ein Bergwerk errichtet
worden war und das die Elfen die Menschen dann wieder verjagt haben. „Weißt
du, warum die Menschen geflüchtet sind“, fragte sie Woogi leise und
schaute ihn aufmerksam an. Jetzt konnte sie endlich seine Gestalt
betrachten. Es war ein kleiner, mit langem zotteligen Fell überwucherter
aufrechtgehender Kobold. Langsam schüttelte Woogi sein zerzaustes
Haupt. „Nur
Schatten, Woogi große Angst“, hauchte er. Rialla legte sogleich einen
Arm um ihn und strich ihm beruhigend über den Kopf. Dumpfe Schritte näherten
sich und Rialla legte einen Zeigefinger auf ihre Lippen, um Woogi
anzuweisen jetzt still zu sein. Woogi nickte. „Jetzt
sind wir ja zu zweit“, flüsterte sie ihm nah ins Ohr, und...“ Ihre
Hand tastete an ihren Gürtel um ihn tröstend auf ihre Waffe aufmerksam
zu machen. Doch diese war nicht mit transferiert worden. Sie erstarrte
und aus den Augenwinkeln sah sie einen Schatten, der immer größer
wurde! Aber er schritt an Ihnen vorbei. Bei jedem Schritt knarrten die
Gelenke des großen Koloss und er gab ein tiefes Brummen von sich. Mit
gerunzelter Stirn folgte sie ihm mit Blicken, bevor er jedoch um die nächste
Kurve gänzlich verschwinden konnte, schnappte Rialla sich den verängstigten
Kobold an ihrer Seite, und schlich hinter her. Sie musste einfach mehr
über diese Schattenwesen herausfinden. Ob Siany auch gerade ihren
Adrenalinstoß im Körper mitbekam? Dieses
riesige Wesen war so groß, das es einen Schatten warf und sich dadurch
selber unerkennbar machte. Abrupt blieb es stehen und drehte sich zur
Wand an seiner Seite zu. Jetzt sah Rialla auch das dort Gitterstäbe
eingefasst waren. Erschrocken erkannte sie einen nackten menschlichen,
zierlichen Fuß hinter den Gitterstäben und legte sogleich eine Hand
auf Woogis Maul, da er einen geschockten Laut von sich hören ließ. Das
Monster rüttelte kräftig an den Gitterstäben und brüllte grollend in
das Loch hinein. Dann zuckte er zurück als hätte er sich verbrannt und
jaulte schmerzvoll auf. „Verschwinde
bloß, Du Ungetüm“, hörten sie beide eine Frauenstimme rufen. Rialla
erkannte die Stimme sofort: „Elaine“! Endlich hatte sie ihre
Freundin gefunden! Ungeduldig wartete sie darauf, das dieser Riese
endlich verschwand. Im Moment stand er noch unschlüssig vor dem kleinen
Gefängnis und sah misstrauisch hinein. Der
kleine Woogi zitterte heftig am ganzen Leib. Der Riese gab noch ein Brüllen
von sich, in dem er seinen Kopf nach vorne beugte, sein grässliches
Maul aufriss und sein kräftiges Gebiss entblößte. Allerdings hatte er
einen Sicherheitsabstand eingehalten. Das genügte ihm dann anscheinend
als Einschüchterung, er wandte sich von ihr ab und stapfte davon. Das
war ein Stichwort für Rialla, sie stürzte sofort an die Gitterstäbe,
klammerte sich an diese und rief leise: „Elaine, Elaine bist du es?“
Sogleich
kam auch Elaine ganz nahe an die Gitterstäbe und fasste hindurch um
ihre Hände auf Rialla´s Arme zu legen. „Ja, ich bin es! Was machst
du hier? Was ist passiert?“, überhäufte sie Rialla gleich mit
Fragen. „Sag
mir erst ob es dir gut geht“, blockte Rialla besorgt Elaines Fragen
ab. „Das
siehst du doch“, antwortete Elaine schlicht. Aber bevor beide noch
etwas sagen konnten, wurden sie von jaulendem Heulen unterbrochen.
Entsetzt schauten sie beide neben Rialla auf den kleinen Woogi, der
diese Laute von sich gab. „Oh,
ist das rührig“, schluchzte er. „Reiß
dich zusammen, sonst kommt dieses Monster zurück“, fuhr ihn Rialla
an, während sich Elaine schütteln konnte vor Lachen. „Willst
Du mir deinen neuen Freund nicht vorstellen“, fragte sie dann. „Oh,
das ist Woogi. Er half mir hierher zu finden“, erklärte Rialla
beinahe nebensächlich. Dann stellte sie auch Elaine vor: „Woogi, das
ist meine Freundin Elaine, nach der ich gesucht hatte!“ Konzentriert
betrachtete sie sich dann die Gitterstäbe und das Schloss daran. Elaine
ließ sich wieder zurück sinken. „Es
ist absolut ausbruchsicher, noch nicht einmal mit meiner Feuermagie
konnte ich etwas erreichen.“ Verzweifelt
zerrte Rialla an den stählernen Stäben. Traurig und teilnahmslos sah
Elaine ihr dabei zu. „Komm
schon Elaine, hast du Deinen Kampfgeist verloren“, forderte Rialla
ihre Freundin auf,“ hilf mir!“ Mit
den Fäusten hämmerte Rialla auf das Stahl ein. Elaine sprang sofort
heran und versuchte sie davon abzuhalten. „Hör
auf damit. Hör sofort auf, du tust dir weh“, schrie sie dabei.
Endlich gelang es ihr Riallas Arme zu erfassen und sie festzuhalten.
„Beruhige dich. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren“, sprach sie
auf die überdrehte Rialla ein, „Hast du nicht einen Dolch dabei,
damit könnten wir vielleicht das Schloss knacken?“ „Wie
wäre es mit einem Schlüssel“, quiekte Woogi. Erstaunt sahen sie auf
ihn hinab. „Ich weiß wo, habe Menschen beobachtet, wo sie Schlüssel
versteckt“, berichtete er fröhlich. „Na,
dann her damit“, forderte Rialla ihn auf. Und
als er davon huschte, sagte Rialla zu Elaine: „Er überrascht mich
immer wieder.“ Tatsächlich kam Woogi mit einem Bund Schlüssel
wieder. Überwältigt schüttelten Rialla und Elaine ihre Köpfe, als
sich tatsächlich das Schloss öffnen ließ! „Hey,
du bist wirklich ein großer Helfer“, lobte ihn Rialla, hob ihn hoch
und wirbelte ihn um sich. Er taumelte, nachdem sie ihn wieder absetzte
und gluckste: „Bäh, ist mir jetzt schlecht.“ Ihre
Freude über Elaines Freiheit währte aber nicht lange, denn schon
polterte der Schattenwächter heran. Der ahnte schon, das hier irgend
etwas geschehen war. „Wer oder Was sind diese Schattenwesen überhaupt“,
überlegte Rialla noch laut. Aber Elaine zog sie energisch mit sich. „Also,
ich möchte sie momentan nicht kennen lernen, mir reichte es eingesperrt
worden zu sein“, erklärte sie bestimmt. Und als der Schatten in der
Ferne dann an Form zu nahm und schneller wurde, fingen sie an zu rennen.
„Siany,
jetzt . Du musst uns zurückholen. Zeig uns den Weg“, schrie Rialla. „Was
redest du, wie sollte Siany das können“, wollte Elaine verständnislos
von ihr wissen. Sie fingen schon an zu keuchen, länger würden sie es
nicht aushalten können. Aber da kamen sie zu dem kleinen Erdloch aus
dem Rialla und Woogi auf den Stollen gestoßen waren. „Hier
hinein wird er uns nicht folgen können“, stellte Rialla fest. Schnell
krochen sie in den schmalen dunklen Gang. Nach einigen Metern stoppten
sie erschöpft und hörten wie der Koloss an dem Gang vorbei trampelte.
Erleichtert atmeten sie auf. „Den
sind wir erst mal los“, stellte Rialla fest. „Nur
zurück sind wir noch lange nicht“, bemerkte Elaine und stellte dann
die Frage: „Wie hast du das gemeint, Siany soll uns zurück führen?“
Rialla
berichtete ihr von dem geknüpften Gedankenfaden und Elaine überlegte
kurz. Sie schüttelte aber dann mit dem Kopf. „Nein“, widersprach
sie, „dadurch wüsste sie nur, wo sie dich finden könnte. Nicht
umgekehrt!“ „Na
wunderbar. Wie finden wir jetzt zurück!“ entfuhr es Rialla ärgerlich.
„Ihr
nicht zurück gehen. Ihr hier bleiben bei Woogi“, schlug der kleine
wuschelige Gnom vor. Sie
schüttelten aber beide daraufhin verneinend den Kopf. „Doch,
wir doch jetzt Freunde. Woogi will Freunde nicht verlieren“, beharrte
Woogi. Rialla und Elaine sahen sich beide vielsagend an. Unmerklich
nickte Rialla Elaine zu, das bedeutete: „Rede du mit ihm. Du kannst
das!“ Elaine kniete sich vor dem kleinen traurigen Woogi nieder und
sprach auf ihn ein. „Na
schön“, wimmerte er nach einer Weile, „ ich weiß einen Weg nach
oben. Aber Woogi nicht begeistert, er dann wieder einsam!“ Herzlich
drückte Elaine den drolligen Freund an sich. Auch Rialla nahm ihn
kameradschaftlich in den Arm und bat ihn dann: „ Zeig uns jetzt den
Weg zurück!“ Ich
war allein. Meine Freundinnen waren zwar körperlich anwesend aber ihr
Geist war weit fort. Meine Verbindung zu Rialla bestand, und wenn ich
auch nicht wusste wo sie war, konnte ich doch wenigstens sicher sein,
dass sie zurückfinden würde. Ich war todmüde. Fast hatte ich ein
schlechtes Gewissen weil ich müde war während die beiden viel
ernsteren Problemen gegenüberstanden; aber ich hatte großes Vertrauen
zu ihnen. Die
Elfen, die meine Gereiztheit bemerkt und auch verstanden hatten, hatten
sich zurückgezogen. Sie hatten mir erlaubt das Feuer wieder anzufachen
und ich war froh darüber. Ich konnte Grizo hören, der irgendwo außer
Sichtweite stand und fraß, und beschloss auch etwas zu essen. Rialla
lag neben Elaine in unserem improvisierten Zelt. Ich
setzte den Topf aufs Feuer und goss etwas Wasser hinein. Ich stellte mir
ein Becher und eine Schale vor meine Decke und wartete bis das Wasser
kochte. In meinem Bündel hatte ich, neben vielen anderen Kräutern,
auch getrocknete Blüten die man als Tee trinken konnte, also brühte
ich sie in dem Becher auf. Aus dem restlichen Wasser kochte ich mir eine
Suppe mit wilden Zwiebeln, Trockenfleisch und Brennnesseln. Den
Geschmack rundete ich mit einigen anderen Kräutern ab. Während
das Zeug kochte rief ich Grizo zu mir, ich kratzte seine Hufe aus und
kraulte ihn ein bisschen zwischen den Ohren. Während ich aß, stand er
in der Nähe und döste. Nach
dem Essen legte ich mich hin. Ich schlief, in dem Wissen dass Die Elfen
mich wecken würden wenn etwas geschieht, bald neben dem
heruntergebrannten Feuer ein. Ich
erwachte früh am nächsten Morgen, weil Grizo mir warm ins Gesicht
atmete. Ich schob seine Nase zur Seite und sah mich um. Das Feuer war
aus und die Oberelfe saß mir gegenüber. Ich wusste schon in dem
Moment, in dem ich wach geworden war, dass Rialla und Elaine noch nicht
zurück waren und ich war immer noch sauer, hatte aber auch etwas Verständnis
für die Elfen. Es nervte mich allerdings ein wenig wie sie mir gegenüber
saßen, mich anstarrten und nichts sagten. "Kann
ich euch helfen?", fragte ich, um das Schweigen im Walde zu
brechen. Die
Oberelfe war sichtlich beeindruckt: "Ich hätte eher mit einem
geworfenen Stein gerechnet als mit einem Hilfsangebot von deiner Seite.
Deine Erfahrung mit uns Elfen war schließlich nicht gerade
positiv." "Nun
ja, ich habe eine Nacht lang Zeit zum Überlegen gehabt und kann eure
Einstellung verstehen. Ich reagiere auch nicht immer besonnen, wenn
irgendwem an dem mir etwas liegt Gefahr droht. Aber dumm oder
uneinsichtig bin ich deswegen noch lange nicht." "Das
hat auch niemand behauptet. Eigentlich sind wir gekommen um dir zu
helfen. Wir haben dir etwas zu Essen gebracht und hoffen, dass du es
annimmst." Essen?
Klang nicht schlecht, ich hatte großen Hunger, da die
Gedankenverbindung mir meine Energie entzog und die Elfen sahen gleich
viel netter aus. Ich schälte mich aus meinen Decken und rang mir ein Lächeln
ab. "Essen wäre toll... " Auf
einmal bemerkte ich vor mir zwei Holzteller und einen Becher.
Die
Elfe zeigte darauf: "Wir essen nicht das gleiche wie ihr, aber ich
hoffe es ist etwas brauchbares dabei. "
Auf
dem einen Teller lagen essbare Wurzeln, auf dem anderen ein Berg geschälter
Nüsse und in dem Becher war Honig. „Das
ist sehr nett und wird ein tolles Frühstück abgeben. Vielen Dank
" Die
Oberelfe nickte mir erfreut zu und verschwand in den Wald, nachdem sie
offenbar einen, für mich nicht hörbaren, Ruf folgte.
In
diesem Moment spürte ich etwas, ich verschluckte mich an der Nuss die
ich gerade in den Mund gesteckt hatte und fing an zu husten. Rialla
hatte Elaine gefunden. Jetzt mussten sie nur noch zurückkommen. Ich
beschloss trotzdem noch etwas zu essen, da ich nicht wusste, wie lange
sie noch brauchen würden. Als sie, nachdem ich schon länger gewartet
hatte, immer noch nicht kamen, packte ich die Reste meines Frühstücks
ein. Den Honig füllte ich in eine Flasche ab, die ich sonst zum Medizin
mischen benutzte. Auf
einmal spürte ich die Anwesenheit der beiden. Sie waren jetzt viel Näher
als vorher. Ich konnte spüren wie Rialla sich an dem Bewusstseinsfaden
orientierte und immer näher kam. Als
sie ganz nahe waren ging ich zum Zelt. Auf
einmal stand auch die Elfe wieder neben mir. "Sie kommen ." ,
sagte sie. Ich
nickte. Als
ich im Zelt neben ihnen kniete mit einer Hand auf jeder Stirn, spürte
ich, wie sie von ihrem geistlosen Zustand in einen tiefen Schlaf fielen.
Jetzt konnte ich sie wecken. Der
Weg nach oben führte über eine riesige Baumwurzel hinweg, die genügend
Lücken in der Erde hinterließ um an ihr hoch klettern zu können.
Elaine und Rialla ließen einen tränenüberströmten Woogi zurück. Während
sie dann hinaufkletterten gab Rialla schweren Herzens zu: „ Ich hätte
mich beinahe an diesen Quälgeist gewöhnen können!“ Siany
kniete neben ihnen als sie erwachten. Wie genau sie in ihren Körper zurückgelangt
waren wussten sie nicht aber das war momentan auch nicht die Hauptsache.
„Oh
Mann, bin ich froh das ihr wieder hier seid“, krächzte Siany und
umarmte beide nacheinander. Ihr müsst ganz schön was erlebt haben so
verwirrt wie deine Gedanken waren, Rialla." "Das
haben wir allerdings und wir mussten einen Freund zurücklassen" "Wie
meinst du das? Dort kann es eigentlich keine anderen Wesen gegeben
haben. Ihr ward in einer von euch geschaffenen Welt und alles was ihr
gesehen habt entsprang euren Wünschen und Ängsten. Was habt ihr
eigentlich gesehen?" Die
beiden berichteten alles, was sich zugetragen hatte und aßen dabei
einige Nüsse und tranken den restlichen Tee. Nach
einiger Zeit hakte Rialla noch mal nach: „Was meintest du mit
selbsterschaffter Welt? Ich habe mir so etwas bestimmt
nicht ausgedacht" "Du
warst ja auch nicht die Erfinderin, das war Elaine, sie hätte sich
genau so gut auf eine grüne Wiese versetzten können, aber da sie schon
schlechte Vorahnungen hatte, rechnete sie mit etwas schlimmen und hat es
auch bekommen. Du hingegen wurdest von den Elfen in Elaines Gedankenwelt
eingefügt, hast dir aber Woogi als Helfer ausgedacht und so in deinem
Unterbewusstsein den Ausweg gefunden. Es hätte noch viel länger dauern
können." Die
Elfe nickte zustimmend:" Ja, das hast du gut erkannt." Siany
bemerkte den Gesichtsausdruck ihrer Freundinnen und schmunzelte:
"Ihr seid enttäuscht weil es nicht real war. Gebt es zu, das war
ein Abenteuer nach eurem Geschmack." Einige
Zeit später nahm die Oberelfe Rialla zur Seite: „Ich möchte euch
etwas geben, um euch für euer Verständnis zu danken, und um zu
verhindern, dass etwas ähnliches noch einmal geschieht. Darum gebe ich
dir dieses Zeichen. Halt deine Handfläche nach oben." Die
Elfe nahm Riallas Hand und blies darüber. Rialla
zuckte zurück. "He was...?" Dann sah sie, dass die Innenseite
ihrer Hand glühte. " Cool, was ist das?" "Wind
und Kälte. Es wird bis morgen Gestalt annehmen. Um es zu aktivieren
legst du einfach deine Faust aufs Herz und stellst dir vor was
geschehen soll. Auch die anderen werden etwas ähnliches erhalten. Ich
zeige euch nur einen Weg. Es gibt andere und mit der Zeit werdet ihr
sicher weitere entdecken. Ich habe die Entwicklung nur etwas
beschleunigt." "Aha!"
Rialla nickte und dachte
bei sich "Wovon redet die eigentlich?". Sie
ging zurück zum Lager, schickte Elaine zu der Elfe und als Elaine mit
verwirrtem Gesichtsausdruck zurückkam, ging Siany. Als wieder alle auf
der kleinen Lichtung versammelt waren, verabschiedeten sich die Elfen. "Wir
sollen bevor wir in einen Wald reiten einfach die linke Hand
hochhalten?" hakte Siany zweifelnd nach. "Ja,
dann wird euch kein Waldbewohner als Bedrohung ansehen. Ich wünsche
euch eine gute Weiterreise und vergiss nicht was ich dir erzählt habe.
Wir werden euch jetzt verlassen und ihr könnt euren Weg morgen früh
ausgeruht folgen. Schürt ruhig das Feuer, wir wissen das ihr darauf
acht geben werdet." "Ich
danke euch für das Geschenk und das Frühstück" Sagte Siany,
"Vielleicht sehen wir uns mal wieder" Die
Elfen lächelten, wurden durchsichtiger, es raschelte leise und schließlich
lösten sie sich in leuchtende Irrlichter auf und verschwanden zwischen
den kahlen Bäumen. "Ich
weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin müde. Stört es euch wenn
ich mich hinlege? Ich kann sowieso nichts anfassen, meine Hände
kribbeln wie verrückt und ich habe Kopfschmerzen." sagte Siany. "Leg
dich ruhig hin. Ich werde nach Rialla auf das Feuer aufpassen und wecke
dich wenn deine Wache anfängt" Sagte Elaine. "Du
siehst ziemlich fertig aus." fügte Rialla hinzu. "Wenn
ich so aussehen würde wie ich mich fühle, würdet ihr schreiend die
Flucht ergreifen." Murmelte Siany während sie in das Zelt kroch. Ihr
Kopf hatte noch nicht den Boden berührt, da war sie schon
eingeschlafen. Licht,
Feuer und Wärme? Was hatte die Elfe damit gemeint? Elaine besah ihre
Handfläche. Ein schwaches Glimmen ging davon aus, aber es war kein
Zeichen zu erkennen. Sie war gespannt wie sich das weiterentwickeln würde.
Das Feuer knisterte und sank in sich zusammen. Elaine beschloss das es
Zeit wäre Siany zu wecken und tat das auch. Einige
Zeit später saß Siany vor den glimmenden Resten des Lagerfeuers. Auch
sie besah sich die Innenflächen ihrer Hände. Die Kopfschmerzen waren
verschwunden, als der Schlaf ihr neue Energie brachte. In ihrer rechten
Handfläche konnte sie zwei schwachblau leuchtende Wellenlinien erahnen
und in der linken zeigte sich langsam ein bräunliches Dreieck. Wasser
und Erde dachte sie. Bei
Sonnenaufgang sahen die Male aus wie eintätowiert und leuchteten nicht
mehr. Siany fing an, die Taschen zu packen und rief Grizo zu sich. Sie
lehnte sich an seine Flanke und summte das Morgenlied vor sich hin. Eine
Stunde später weckte sie die anderen. Gutgelaunt
und wieder energiegeladen begaben sie sich auf die Weiterreise. Sie
waren zwar recht froh, dass ihr Erlebnis im Wald noch ein gutes Ende
gefunden hatte und dankbar über das magische Geschenk der Elfen,
dennoch wollten sie diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Fröhlich
plaudernd und sich gegenseitig ihre Zeichen auf den Innenflächen ihrer
Hände zeigend, wanderten sie den schmalen Weg entlang, während um sie
herum die Bäume immer spärlicher wuchsen. Über die Nacht hinweg war
frischer Schnee gefallen, der nun in der Sonne glitzerte. Die dichten
Tannenzweige hatten keine Schneeflocke zum Waldboden durchgelassen und
so hatte die dichte Schneedecke auf den Baumkronen, den Wald die ganze
Zeit so sehr in Dunkelheit gehüllt dass sie jetzt sogar von dem grellen
Weiß geblendet wurden. Der
Weg, den sie gingen, führte sie abwärts geradewegs in das nächste
Tal, welches sich vor ihnen erstreckte. Vereinzelt ragten grauspitzige
Felsen aus dem hügeligen Schnee. Indem sie vom Gebirge geradewegs in
den Wald gekommen waren, hatten sie noch lange nicht die Bergkette
verlassen, die sich immer noch hinter ihnen entlang wand. Die weite
Schneefläche vor ihnen fiel leicht schräg ab. Gleich
nachdem sie aufgebrochen waren, hatten sie gemeinsam beschlossen möglichst
schnell etwas essbares aufzutreiben. Denn von der kargen Waldnahrung
waren sie alle drei nicht satt geworden und ihnen knurrte der Magen. „Ich
hatte eine Vision heute Nacht“, gab Elaine als erste gute Nachricht
nach dem Aufstehen bekannt, „Ich sah fröhliche Menschen lachen und
tanzen, Häuser mit Tannenkränzen geschmückt und Tafeln mit Essen in Hülle
und Fülle!“ „Hör auf“, rief Siany sofort lachend“, ich habe sowieso
schon Hunger, jetzt läuft mir das Wasser im Mund zusammen bei der
Vorstellung!“ Rialla
hingegen sprach laut, um das intensive Geräusch ihres Magens zu übertönen:
„Ach und du meinst nicht, das war reines Wunschdenken?!“ Aber
Elaine beharrte auf ihre Aussage: „Nein, nein ich bin ganz sicher und
wir sind gar nicht so weit entfernt!“ Und diese Worte brachten zusätzlichen
Aufschwung zur Weiterreise. Während
sie also frohen Mutes und schnellen Schrittes ihres Weges gingen, zeigte
Siany als erste ihren Freundinnen ihre Zeichen, die sie während der
letzten Stunden Wache bemerkt hatte. Fasziniert
betrachtete Elaine die blau schimmernden Wellen und das bräunliche
Dreieck, die auf Sianys Haut wie eintätowiert wirkten und strich
vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. „Die
Symbole stehen für Wasser und Erde“, erzählte ihnen Siany. Als
Elaine ihre linke Handfläche preisgab, zeigte sich darauf ein
gelbgoldener Kreis mit einer
rot-orangenen Flamme in der Mitte. „Das Zeichen steht für Licht und
Feuer. Ich bin irre aufgeregt, in wie weit wir diese Magie einsetzen können
und welche Auswirkungen sie haben wird“, sprudelte es nur so aus ihr
heraus. Auch
Riallas Handfläche wurde begutachtet, auf ihrer befand sich ein
glitzernder Stern, wie eine geeiste Schneeflocke und eine grausilberne
Linie, die eine Spirale darum bildete. „Kälte
und Wind“, gab Rialla kurzangebunden die Erklärung ab. „Hoffentlich
können wir dies Nacht in einer ordentlicheren Behausung verbringen“,
warf Siany fröstelnd ein, während Rialla über einen schmalen Hügel
hinweg in die Ferne sah. Während
Elaine noch begeistert ihre Handflächen studierte, konnte Siany
beobachten wie Riallas Nasenflügel leicht bebten, als würde sie im
Wind schnuppern und ihre Augen fixierten etwas. Noch bevor Siany danach
fragen musste, erklärte Rialla: „Ich sehe Rauch, wenn wir über den Hügel
hinweg sind, müssten wir das Tal mit dem Dorf sehen können!“ Und
tatsächlich, genau wie es erst Elaine und dann Rialla vermuteten,
konnten sie vom Hügel Schemen von Hütten, in nicht allzu weiter Ferne,
erkennen. „Oh,
Gott sei Dank“, entfuhr es Siany, „Zivilisation!“ Aus
kleinen Holzhütten, die beinahe wie im Schnee eingegraben wirkten,
drang überall Rauch aus den Schornsteinen, die wie kleine Quadrate aus
den Schneedächern ragten. Als sie näher heran kamen konnten sie
zwischen den Häusern einen mit Tannenzweigen umsäumten, freigelegten
Pfad sehen. An den Seiten waren außerdem Girlanden mit kleinen farbigen
Lampions aufgehängt, die leicht im Wind schaukelten. Die Fensterläden
aller Häuser waren weit geöffnet, man konnte in jedem einen
aufgeregten Tumult erkennen. Essensduft und Lachen drang zu Ihnen herüber.
Beschäftigtes Treiben war auf dem geschmückten Pfad zu bemerken, fröhliche
und rotwangige Menschen waren mit Schalen, Tabletts und Kisten
unterwegs. „Oh,
riecht ihr das auch“, begann Siany zu schwärmen, während sie immer
schneller voraus durch den Schnee stapfte und der treue Grizo ihr tapfer
folgte, „lecker Gebackenes, mmmhhh Gegrilltes, oh und jetzt riecht es
nach Braten.“ Rialla
war etwas skeptischer, mit der Hand am Schwertknauf, der ihr vom Gürtel
ragte folgte sie Sianys Schritten rasch. Elaine hatte Mühe ihnen zu
folgen. Aber auch als sie mitten im Trubel standen, reagierte niemand
auf sie. Es schien, als seien alle so mit Festvorbereitungen beschäftigt,
dass alles andere nebensächlich war. Die drei Abenteurerinnen ließen
sich einfach mit dem Strom treiben. Wenn sie erst mal zum Ort der
Festlichkeiten kommen würden, erführen sie schon mehr. Ein
rundliches pausbackige Frau hielt Siany aus einem Fenster heraus am Ärmel
fest und drückte ihre warme, duftige Pastete in die Hand. Sie roch
lecker nach Apfelkuchen. „Nimm
das gleich mit, Mädchen, wenn du schon unterwegs bist. Keinen
Leerlauf“, plapperte sie, dirigierte im Hintergrund der Küche ihre
Helferinnen am Herd und schwang drohend mit dem Kochlöffel in Sianys
Richtung, die schon am süßen Teig kosten wollte. Kurze
Zeit später hatten sie alle drei etwas in der Hand. Elaine etwas, das
nach einer Schale mit Brei mit Früchten aussah und Rialla hatte ein
Fass unter ihrem Arm geklemmt. Grizo trottete immer noch brav hinter
Siany her, bis ihn ein schmaler Junge, mit langer Lederschürze aus der
Menge zog. Siany sprang sofort hinterher, nicht bevor sie Rialla noch
die Backwaren zugeworfen hatte. Aber es stellte sich heraus, das der
eifrige junge Mann nur ein ruhiges Plätzchen für Grizo suchte und ihn
im Stall unterbringen und versorgen wollte. Das war Siany natürlich
Recht, sie half ihm dabei und fand dadurch endlich jemanden, den sie
ausfragen konnte. Auch
ungefragt erzählte er schon vieles. Es stand ein, den Frostheiligen
gewidmeten, Dorffest bevor, das bei Sonnenuntergang beginnen sollte. Der
Höhepunkt des Festes würde darin bestehen, dass junge Leute, mit
Fackeln und wehenden weißen Gewändern, durch das Dorf, den geschmückten
Pfad entlang tanzten. Kinder durften vorangehen und Kerzen am Rand
aufstellen, die dann von den Tanzenden entzündet wurden. Das sei ein
Ritual, mit dem die Heiligen besänftigt werden sollten, um ihnen einen
milden Winter zu schicken. Hier
im Dorf waren es vier Frostheilige, die von den Dorfbewohnern gefürchtet
waren, da sie den eisigen und meist stürmischen Winter brachten. Mit
dem Feuer und dem Tanz wollten sich die Dörfler gleich zu Anfang mit
ihnen versöhnen. So gab es die Schneekönigin, die für den Schneefall
zuständig war. Für die eisige Kälte war Prinz Frost da, er malte die
Eisblumen an die Fenster. Bei stürmischen Nächten und sehr windigen
Tagen, war Krieger Polar unterwegs und der griesgrämige Großvater
Dervin heulte und jaulte bei besonders schlimmen Tagen und Nächten um
die Häuser. In
der Mitte des Dorfes befand sich das Gemeindehaus, welches zum Festsaal
umfunktioniert worden war. Dorthin wurden all die Speisen und Getränke
gebracht und dort fand Siany auch Rialla und Elaine wieder. Die
beiden hatten sich schon um eine Bleibe für die Nacht gekümmert. Eine
herzliche, mütterliche Wirtin erklärte sich bereit die Drei für
einige Tage aufzunehmen. Es kämen bei den unwirtlichen Temperaturen
sowieso keine Gäste vorbei, hatte sie erklärt, da bei den Schneestürmen
keiner über die Gebirgskette oder durch den Wald zu ihnen kam. Und in
den nächsten Tagen würde keiner beim Essen und Trinken zu kurz kommen,
für dieses Fest würde jeden Sommer genug Vorräte gesammelt und
aufbewahrt. Die
Wirtin, die übrigens Edda hieß, spannte Siany und Rialla gleich für
die Dekoration der Speisetafeln ein, die beide sogleich ihre Chance
nutzten und von jeder der angebotenen Speisen einmal probierten. „Ich
bin für das Tanzen“, erklärte Rialla sofort. Und während sie noch
so mit den Musikern standen und mit ihnen scherzten und alberten, kam
Elaine auch wieder zu ihnen. „Wir
wurden angeheuert, ich habe eine Aufgabe für uns während dem
Festakt!“ erklärte sie strahlend den verdutzten Freundinnen. „Moment,
habe ich da etwas von Arbeit läuten hören“, grummelte Rialla. „Und
habe ich da etwa ein Wir herausgehört“, tadelte Siany,“ Du
hast dich anheuern lassen. Wir feiern heute Nacht mit!“ Elaine
seufzte provozierend laut. „Es geht doch nur darum ein wenig Schutz zu
leisten, die Tanzenden und die Fackeln und Kerzen im Auge zu
behalten“, beschrieb sie die Aufgabe. „Mach
was du für richtig hältst“, gab ihr Siany zur Antwort, „ich habe
nicht vor, mich für so etwas herzugeben. Zumindest nicht heute Nacht,
mir stecken die letzten Nächte im Wald noch in den Knochen!“ Rialla
stimmte Siany zu und stellte Elaine die Frage: “Hast du nicht auch
erst mal genug von den Aufregungen?“ Elaine
zuckte mit den Schultern und sah verlegen auf ihre Füße. „Also ich
habe schon zugesagt, da Rheinem so dringend Hilfe braucht und mich um
Unterstützung bat“, gab sie zaghaft zu. „Wer?“,
fragten Siany und Rialla zugleich. „Na,
Rheinem Flo. Er kümmert sich um die Sicherheit hier im Dorf“,
berichtete Elaine wie selbstverständlich. Rialla rieb sich die Augen
und Siany gähnte absichtlich. „Na
ist ja prickelnd!“, bemerkte Siany, „verschone uns damit, es klingt
nicht unbedingt interessant!“ Rialla
nickte nur dazu und fügte hinzu: „Du tätest auch besser daran, dich
zu amüsieren statt mal wieder die Arbeit von anderen zu übernehmen!“
Elaine
seufzte leicht und sagte dann: „Wie ihr meint!“ Siany
stupste sie freundschaftlich in die Seite und meinte aufmunternd:
„Komm lasst uns erst mal etwas trinken gehen, dort drüben ist ein
Schanktisch aufgebaut!“ Rialla
hakte sich sogleich bei ihr ein. „Gute Idee, ich habe mächtigen Durst
von dem ganzen süßen und gut gewürzten Kram.“ Hinter
dem Schanktisch stand der junge Mann, der sich vorher um Grizo gekümmert
hatte und winkte ihnen fröhlich zu. Doch bevor sie zu dritt bei ihm
ankamen, zog der vermeintliche Rheinem Elaine beiseite. „Ich
bin gleich zurück, wir gehen nur kurz den Tanzpfad entlang“, rief
Elaine ihren Freundinnen zu und verschwand in der Menge. Ihre
Freundinnen schüttelten nur die Köpfe. „Sie
experimentiert mit ihrem neuen Feuerelement“, flüsterte Rialla Siany
zu. „Hoffentlich
nicht über die ihre Grenzen und nicht unbedingt öffentlich“, sorgte
sich Siany. Während
der junge Mann, der sich ihnen als Benjamin vorstellte, ihnen gewürzten
Apfelmost einschenkte, erzählte er ihnen, das die Dorfgemeinschaft
nicht begeistert sei, von dem neuen Sicherheitssystem. Energisch hieb
Rialla auf den Tisch. „Jetzt ist aber Schluss mit dem Thema,
abgemacht?“ Und damit hatte sie ein wahres Wort gesprochen. Benjamin
stellte sich als sympathischer, und humorvoller Unterhalter heraus und
so verging die Zeit ziemlich schnell. Er müsse in ein paar Tagen
Besorgungen in einer größeren Stadt machen, ein paar Tagesreisen von
hier, berichtete er ihnen. Ihm war ein wenig bange bei der Vorstellung,
denn es hatte sich noch keiner bereit erklärt mit ihm zu kommen. Aber
Siany und Rialla waren gleich einer Meinung, als sie ihm ihre Begleitung
anboten. Da eine größere Stadt, gleich als nächstes auf ihrem
erdachten Reiseplan stand. Bald
stellte sich die Tanzprozession vor dem Eingang auf, Elaine war noch
nicht wieder aufgetaucht. Plötzlich erschien ein untersetzter,
halbglatziger, wichtigtuerischer Mann zwischen den schon freudig
Wartenden. „Wir
haben eine Hexe hier in unserer Gemeinschaft aufgenommen! Sie ist eine
Hexe, eine Bedrohung für uns. Wir sollten sie heute opfern, sie verhext
uns sonst noch alle!“ ,versuchte er laut aufzuhetzen. Rialla
und Siany zuckten zusammen. Sie ahnten was dies bedeutete und rissen
entsetzt die Augen auf. Als Elaine dann mit Rheinem am Eingang
auftauchte, zeigte der aufgeregte Mann mit ausgestrecktem Finger auf
sie. „Da
ist sie, sie ist gefährlich! Sie ist eine Hexe. Eine Feuermagierin“,
schrie er dabei. Doch
Rheinem stellte sich gleich vor sie und macht eine beschwichtigende
Geste in die Richtung des Aufhetzers. „Reden sie kein Unsinn!“
beruhigte er ihn und von der Seite zog die großgewachsene Bürgermeisterin
den Aufrührer mit strafender Miene aus der Menge. Die Übrigen hatten
diesen Vorfall sofort als Unsinn akzeptiert und widmeten sich wieder dem
Festakt. Aber auch Elaine wirkte sehr verunsichert und verwirrt. Rialla
und Siany beobachteten noch, das die wichtige Frau und der Ankläger ein
ernstes Gespräch führten und die Frau Elaine einen besorgten Blick
zuwarf. Die Unterredung endete damit, das die Bürgermeisterin ihm
zunickte und sie dann auseinander gingen. Als
Elaine sich zu ihren Freundinnen durch die Menge kämpfte, raunte sie
ihnen in knappen Sätzen zu: „Ich habe einen Lampion entzündet und
wieder gelöscht, für eine Probe ob auch keine Brandgefahr von ihm
ausgeht. Der komische kleine Mann, hat beobachtet wie ich dies alleine
mit der Kraft meiner Hände schaffte und er hat außerdem das Mal
gesehen. Die Flammen haben die Innenfläche meiner Hand erleuchtet und
so wurden auch das Zeichen sichtbar.“ „Du
musst vorsichtiger sein“, zischte Siany scharf aber auch sorgenvoll
zurück. Elaine
nickte beschämt und gab zu: „Ich habe nicht mehr daran gedacht, wie
andere Menschen über unsere Magie denken!“ „Wir
müssen halt aufpassen“, beschwichtigte Siany, die anderen beiden,
„solange es nur ein Querdenker hier unter den Dörflern gibt, haben
wir ja nicht all zu viel zu befürchten.“ Dann
waren die Kinder mit dem Verteilen von den Kerzen endlich fertig und
kehrten mit rotleuchtenden Wangen zurück und der Tanz mit den Fackeln
begann. Die
Tänzer bildeten den Anfang und zur Unterstützung schritten die Musiker
hinterher. Trommelwirbel und schriller Flötenpfiff brachten die
Tanzenden zum Wirbeln. Die
Zuschauer, wie auch Siany und Rialla folgten den Musikanten auch mehr
oder weniger tanzend und hüpfend. Ganz zum Schluss folgte Elaine, die
darauf achtete das kein größeres Feuer ausbrach. Das hatte sie mit
Rheinem abgesprochen, der schon weiter vorn am festgelegtem Tanzpfad
stand und die Tanzenden beim Vorbeiziehen beobachten sollte. Erst als
auch sie wieder zum Festsaal kam, in dem die Dorfbewohner schon wieder
ausgiebig feierten erwachte sie aus ihrer Konzentration über die
Fackeln. Aber auch erst nachdem Siany sie unsanft am Arm rüttelte und
wissen wollte: „Hey, alles in Ordnung mit dir? Du hast aber lange
gebraucht!“ Elaine
wischte sich mit einer Geste über die Augen und meinte: „Ja, ich war
nur etwas gedankenversunken!“ Die
Feiernden forderten bald laut nach Siany und ihrem Gesang, nachdem sie
einige Kostproben dargeboten hatte. Mit unschuldigem Schulterzucken und
einem verlegenem Grinsen begab sich Siany wieder in die Mitte des
Saales. Und während Rialla Elaine zum Schanktisch zog, erklärte sie
ihr, das Siany schon einiges vorgetragen hatte und die Dorfbewohner
einfach nicht genug davon bekommen konnten. Drei
Tage lang blieben die Freundinnen in dem gastfreundlichen Dorf und
wurden auch von keinem Hexenprozess belästigt. Rialla verstand sich gut
mit Benjamin und wie verabredet machten sie sich zusammen auf den Weg in
die nächste Stadt. Ein kleines Fuhrwerk, gezogen von einem Maultier
trug die Waren die Benjamin verkaufen und tauschen wollte. An dem
geschnitzten Spielzeug arbeitete fast jeder Mann im Dorf, wenn es im
Winter zu kalt für andere
Beschäftigungen wurde und die Familien sich um den Ofen versammelten.
Der Rest der Ladung bestand aus kunstvoll bestickten Deckchen und
Strickwaren, die die Frauen herstellten. Sie
zogen vier Tage lang durch die malerische Winterlandschaft, dann konnten
sie die Stadt riechen. „Buäh,
ich hoffe das ist nicht der Duft der großen weiten Welt!“ beschwerte
sich Rialla. „Im
Sommer ist es viel schlimmer. Ich verstehe nicht das manche Menschen es
toll finden in einer Stadt zu leben.“ Erklärte Benjamin. Siany
warf ein. „Richtig große Städte stinken nicht so sehr. In denen gibt
es Abflüsse für Schmutzwasser und Abfalldienste. Solche kleinen Städte
können sich das aber meistens nicht leisten und Menschen sind
anpassungsfähig, sie gewöhnen sich an alles. Auch an Gestank.“ Sie
folgten dem Benjamin der den Wagen zum Marktplatz lenkte und ihn in
ihrer Obhut zurückließ. Er ging zum Marktaufseher und fragte nach
einem Stellplatz. Als alles geregelt war kam er zurück und sie suchten
zusammen ein Gasthaus. Der Markt begann erst am nächsten Tag. Das
Gasthaus der Stadt war eher eine Taverne und schon am frühen Abend war
sie angefüllt von angetrunkenen Kerlen die sich nach Abwechslung
sehnten. Siany, Rialla und Elaine verhielten sich so unauffällig wie möglich
und setzten sich in eine Ecke. Benjamin war auf dem Zimmer geblieben und
bewachte seine Handelsware. Unauffällig
sein nütze nicht viel. Im Winter waren nur wenige Reisende unterwegs
und sie gerieten bald in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Siany
und Rialla unterhielten sich leise, Elaine hörte zu. Sie beschlossen
auszutrinken und sich dann in ihr Zimmer zurückzuziehen, bevor
irgendwer auf die Idee kam sie anzusprechen. Zu
Spät! Ein großer Mann trat an den Tisch und sprach ausgerechnet Siany
an: „Hallo.“ Er wusste nicht weiter. Siany
sah ihn an und erwiderte lächelnd: „Hallo. Kann ich dir irgendwie
helfen?“ Elaine
rutschte halb unter den Tisch und Rialla sah den Mann erst an. Der wurde
nervös und fragte: „Darf ich mich setzen?“ Siany
sah ihre Freundinnen an und die nickten, also sagte sie: „Sicher doch,
wie war doch gleich dein Name?“ Erleichtert
setzte sich der blonde Riese und sagte: „Ich bin Balbus. Möchtet ihr
noch etwas trinken?“ Er winkte die Kellnerin herbei. Rialla
und Elaine lehnten ab. Siany sagte: „Ich nehme hiervon noch einen.“
Sie war sich nicht sicher was es war, was sie da trank, aber es
erinnerte sie an Branntwein, schmeckte aber besser. „Das
ist dann dein fünfter.“ Flüsterte Rialla ihr zu. „Ich
weiß, aber um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Dann
wandte sie sich an Balbus: „Mein Name ist Siany und das sind meine
Freundinnen Rialla und Elaine. Wir ziehen Richtung Süden und was machst
du so?“ „Ich
bin Händler.“ „So?
Womit handelst du denn?“ „Mit
Spielzeug.“ Rialla
starrte ihn an, als sei er gerade vom Himmel gefallen und Elaine grinste
und rutschte noch etwas weiter unter den Tisch. Siany
versicherte sich: „Mit Spielzeug?“ Balbus nickte. „Du
siehst nicht aus wie ein Spielzeughändler!“ stellte sie dann fest.
Dann erinnerte sie sich an ihre Manieren und sie fügte hinzu: „Aber
dein Beruf macht dir sicher viel Freude?“ „Ja,
das tut er. Kinder sind immer so glücklich wenn sie Spielzeug
bekommen.“ „Wir
werden morgen auf dem Markt auch Spielzeug verkaufen.“ Erzählte Siany,
„Vielleicht treffen wir uns dort wieder.“ „Seid
ihr auch Händler?“ „Nein,
wir haben andere Berufe gewählt. Ich bin Heilerin, Rialla ist zur
Kriegerin ausgebildet worden und Elaine ist Gärtnerin. Aber wir
begleiten einen Mann aus den Bergen, der die Winterproduktion verkaufen
will.“ Siany
unterhielt sich mit Balbus über Spielzeug und Rialla und Elaine fanden
das Gespräch so langweilig, dass sie sich verabschiedeten und ins Bett
gingen. Siany redete noch lange mit Balbus und verabredete sich zu einem
Treffen am nächsten Morgen. Sie wollte ihm Benjamins Waren vorführen,
vielleicht konnte er etwas für seinen Laden gebrauchen. Ein
eisiger Windhauch zog durchs Zimmer, als Elaine am nächsten Morgen
schwungvoll die Fensterläden aufzog. Sie blinzelte gut gelaunt in die
aufgehende Sonne, nahm einen tiefen Atemzug der frischen Stadtluft,
wurde grün im Gesicht, geriet ins Taumeln und schmiss das Fenster
wieder zu. Siany fuhr verschlafen vom Kopfkissen hoch. „Willst
Du das ich einen Herzinfarkt bekomme, erfriere und ersticke – uuuaaaäähh“,
maulte sie mit halbgeschlossenen Augen. Elaine
stützte sich mit einem Arm am Fensterrahmen ab und mit der anderen
hielt sie sich den Bauch. „Guten Morgen erst mal!“ murmelte sie.
Nach wenigen Augenblicken war sie aber wieder so weiß wie eh und je –
zumindest nicht mehr grün. Siany sah ihr blinzelnd zu, wie sie dann zu
ihr herüber schlenderte und sich an das Fußende ihres Bettes setzte. „Wie
spät ist es denn?“ fragte Siany wieder mit geschlossenen Augen, während
sie sich zurück an ihr Kopfkissen schmiegte. „Zeit
zum Aufstehen!“ zwitscherte Elaine motiviert. Siany
öffnete nur ein Auge: „Jetzt schon?“ brummte sie. „Rialla
ist schon mit Benjamin auf den Marktplatz, den Stand aufbauen. Sie hat
sich freiwillig angeboten, gleich in der Früh mit ihm mitzugehen um zu
helfen“, berichtete Elaine ihr. Siany brummte nur zur Antwort, schloss
die Augen wieder und drehte sich auf die Seite, die Bettdecke ganz bis
unters Kinn gezogen. Elaine
beugte sich über sie: „Ich habe Rialla gesagt, wir würden mit heißem
Tee und Frühstück nachkommen“, erklärte sie auffordernd. Zunächst
kam von Siany ein zustimmendes „mmmhhh“, doch dann schwieg sie und
es war eine Weile absolut still. Elaine
runzelte die Stirn, sah erwartungsvoll auf die scheinbar schlafende
Siany und erwartete schon ein leises Schnarchen zu hören bekommen. „Geh
schon mal vor, ich komme dann später nach“, nuschelte Siany schließlich
schlaftrunken. Elaine
machte sich schulternzuckend zum Gehen bereit, doch als sie die Tür öffnete,
kam von ihr ein überraschtes: „Oh?!“ Siany
richtete sich auf. „Was?!“ wollte sie sofort wissen. „Hier
hängt etwas an der Tür“, erklärte Elaine und kam mit einem
rundlichen Gegenstand aus Stein wieder an Sianys Bett. „Eine Nachricht
hängt daran, es ist für Dich!“ Siany
rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte die Hand danach aus.
Neugierig nahm sie die faustgroße Scheibe entgegen, drehte sie
inspizierend in den Händen und forderte Elaine auf die Nachricht
vorzulesen. „Danke
für Deine Bekanntschaft! Einen sonnigen Start in den Tag, wir sehen
uns! B.“ las Elaine mit fragendem Unterton in der Stimme vor. Die
Scheibe bestand aus zwei Hälften, die in der Mitte scheinbar verbunden,
aber durch einen Spalt quer halbiert war. Darin war eine Kordel
aufgewickelt. „Sieht
aus wie ein Quarz, aber ein sehr schöner und mit Sorgfalt bearbeitet.
Er ist gar nicht so schwer“, kommentierte Siany, während sie ihr
Geschenk in der Hand wog. Es war ein weißer Stein mit grünlich blauem
Schimmer, grob behauene Oberfläche. „Ein
Talisman?!“ war Elaines Vermutung. „Ein
Handspielzeug!“ nahm Siany an. „Dann
war der Überbringer schon früh unterwegs“, bemerkte Elaine. „Weißt
du“, sagte Siany nun munter, „du hast Recht, es ist jetzt an der
Zeit aufzustehen. Lass uns vom Wirt Tee und ein paar belegte Brote
mitnehmen und zu unseren fleißigen Markthändlern gehen, vielleicht
warten sie schon sehnsüchtig auf uns?“ Gesagt,
getan, als sie an dem Marktstand ankamen, sprang Rialla sofort auf sie
zu: „Da seid ihr ja auch endlich! Siany, nach dir wurde schon
gefragt!“ „War
Balbus hier?“ „Ja,
er war vor einiger Zeit hier und hat Ausschau gehalten. Er musste aber
wieder zurück in seinen Laden. Er hat gesagt er kommt in seiner
Mittagspause noch mal vorbei.“ „Aha.
Und, habt ihr schon etwas verkauft?“ „Ein
paar Holzpferdchen und eine Puppe.“ „Es
sind schon viele Leute da.“ Bemerkte Rialla. „Ja,
und passt besser auf eure Taschen auf. Hier sind an Markttagen immer
Beutelschneider unterwegs.“ riet Benjamin. „Ich
hab das Geld und mir hat noch nie jemand etwas gestohlen. Benjamin, ich
habe gestern mit Balbus geredet, er würde dir alles abnehmen, was du in
die Stadt bringst und in seinem Laden verkaufen, wenn du mit einigen
Bedingungen einverstanden bist.“ „Das
wäre ja großartig. Was für Bedingungen?“ „Nichts
unmachbares. Geh am besten in seinen Laden und sprich mit ihm, wir
verkaufen hier für dich weiter.“ „Ich
gehe sofort los. Die Preise kennt ihr?“ Rialla
nickte und Benjamin zog ab. „Habt
ihr was zu Essen mitgebracht? Ich hab Hunger.“ „Natürlich.
Elaine, was ist auf den Broten?“ „Sieht
aus wie Fisch.“ „Fisch?
Uäh!“ Die Abscheu stand Siany ins Gesicht geschrieben „Ist ja
widerlich.“ „Nö,
is lecker.“ Rialla
redete mit vollen Backen und Elaine hielt Siany ein Brot unter die Nase. „Nimm
das weg, bäh.“ Siany wich dem Brot aus „Und dabei habe ich solchen
Hunger. Könntet ihr mir nicht etwas anderes besorgen, während ich auf
den Stand achte?“ „Klar,
ich wollte mich sowieso umschauen, komm Elaine.“ Die beiden
verschwanden im Gewühl und Siany betätigte sich als Marktfrau und
verkaufte Puppen und hölzerne Tierfiguren. Auf
einmal stand ein kleines Mädchen vor ihr. An der Hand hielt sie einen
noch kleineren Jungen der weinte. „Na,
habt ihr euch verlaufen?“ Siany trat hinter dem Stand hervor und
suchte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Das kleine Mädchen
nickte und sah aus, als ob es auch gleich anfangen würde zu weinen.
„Na na, nicht weinen. Ich helfe euch eure Mutter zu finden, wir müssen
nur kurz warten bis jemand auf den Stand aufpassen kann.“ Der
Junge heulte unbeeindruckt weiter. „Kommt mit nach hinten, nicht das
ihr mir auch noch verloren geht, ich heiße übrigens Siany.“ Siany
nahm die beiden an der Hand und führte sie hinter den Stand. Dann nahm
sie eine kleine Holzfigur und zeigte sie ihnen. „Wisst ihr was das
ist?“ „Ein
Pferd?“ „Hm
fast.“ „Ein
Einhorn?“ „Nicht
ganz. Es ist ein Pegasus.“ Siany senkte die Stimme und der Junge hörte
auf zu weinen, weil er sie hören wollte. „Was
ist das ein Pegasus?“ schniefte das Mädchen. „Das
ist ein ganz seltenes Tier. Er sieht aus wie ein Pferd aber er hat Flügel
und er schlüpft aus Eiern...“ „Wie
ein Vogel!“ „Ja
genau, man kann auf ihm hoch durch die Lüfte reiten und vielleicht
sogar den Winddrachen treffen, aber nur wer ein gutes Herz hat darf
aufsteigen. Von einem bösen Menschen würde sich ein Pegasus nicht mal
berühren lassen. Wisst ihr wie die Wolken von oben aussehen?“ Die
beiden machten große Augen und schüttelten ihre kleinen Köpfe. „Sie
sehen aus wie geschlagene Sahne und wenn die Sonne untergeht sehen sie
aus wie Himbeercreme.“ „Kann
man sie denn essen?“ meldete sich zum ersten Mal der kleine Junge. „Nein,
wenn man sie anfasst, sind sie bloß kühl und feucht, aber überlegt
mal, wie viel sie von der Welt gesehen haben, als sie über sie
hinweggeflogen sind. Auch wenn kein Mensch weiß wo man einen Pegasus
finden kann, die Wolken wissen es bestimmt. Vielleicht verraten sie es
euch wenn ihr ganz leise seid und ihnen zuhört.“ Siany legte eine
Hand hinter ihr Ohr und lauschte in Richtung Himmel. Die beiden Kleinen
taten es ihr nach. „Ich
höre nichts.“ sagte der Junge. „Ich
höre Mama rufen.“ Das Mädchen sprang von Sianys Schoß. Im gleichen
Augenblick tauchten Elaine und Rialla auf. Siany stand auf und hob en
Jungen auf ihren Arm. Elaine kannst du kurz auf den Stand aufpassen? Ich
habe zwei Kinder gefunden.“ „Klar.
Geh nur.“ Siany
folgte dem kleinen Mädchen und auf einmal stand Rialla neben ihr:
„Hier, du hattest doch Hunger.“ „Danke,
behalt es noch einen Moment.“ „Da
seid ihr ja!“ Eine aufgeregte Frau kam auf sie zu und das kleine Mädchen
rief: „Mami, Mami sieh mal ich habe von Sjani einen Pegasus
bekommen.“ Siany
reichte der Frau den Jungen: „Ich habe sie an unserem Stand gefunden,
sie hatten sich verlaufen.“ „Ich
hatte sie nur einen Moment aus den Augen gelassen. Vielen Dank für eure
Hilfe. Hier...“ sie kramte in ihren Taschen und holte ein Silberstück
hervor „Für den Pegasus.“ „Vielen
Dank. Auf Wiedersehen ihr beiden und
denkt daran, genau zuhören!“ Die
beiden plappernden Kinder verstummten sofort und hörten mit ernster
Mine den Wolken zu, Siany lachte und ging dann mit Rialla zurück zum
Marktstand. Unterwegs aß sie die köstlichen Käsebrote. „Was
hast du ihnen erzählt?“ „Das
die Wolken ihnen vielleicht verraten, wo sie einen Pegasus bekommen können.“ „Ich
habe damals tagelang die Wolken beobachtet und ihnen zugehört.“ „Ich
etwa nicht? Unsere Eltern haben sich bestimmt auch gefreut dass wir so
ruhig waren.“ Grinsend
gingen sie zurück zum Stand und erfuhren das Balbus und Benjamin sich
einig geworden waren. „Wir
sollen jemanden herschicken, der an dem Markttagen den Stand übernehmen
kann. Dann laufen die Geschäfte im Laden und hier draußen. Balbus behält
ein zehntel des Erlöses und wir können jederzeit neue Ware anliefern.
Das war eine gute Idee Siany.“
Während des Gespräches, welches Norla mit Elaine führte, hatte Norla interessiert gefragt, wo sie denn herkämen und wo sie hinwollten. Von ihrem Heimatdorf hatte die Kräuterfrau gehört und berichtete ihre Cousine sei auf der Suche dorthin unterwegs gewesen und war nie zurückgekehrt. Ihre Cousine hätte ausgeprägte seherische Fähigkeiten gehabt und hatte immer gemeint, dort würde ihre Lebensaufgabe für auf sie warten. „Lautet ihr Name etwa: Lyra? Sie war meine Lehrerin.“ Meinte Elaine. Auf Norlas Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und in ihren Augen glitzerten Tränen. Sie umfasst vorsichtig Elaines Wange mit weicher faltiger Haut und strich sanft mit den Fingerspitzen über Elaines Schläfen bis zum Kinn die Gesichtskonturen entlang. „Ja, ich spüre Lyras Einfluss auf Dich und ich fühle eine warme strahlende Energie in dir, die ich leuchten sehe trotz meiner Blindheit. Ich kann manchmal auch Bilder sehen, die für andere verborgen bleiben vor meinem inneren Auge und diese zeigen mir dann einen Ausschnitt aus der Zukunft.“ Rialla, die andächtig gelauscht hatte, fragte gleich: „Sehen sie auch Bilder von uns?“ Die Alte schüttelte den Kopf und erklärte: „Ich sehe nicht oft solcherlei Bilder, sie kommen und gehen, wie sie wollen und meistens werden sie durch Berührung wach gerufen. Elaine allerdings hat diese Bilder auch in sich. Ich könnte versuchen, sie hervorzulocken, indem ich meine Hand auf ihre Stirn lege. Darf ich, Kleines?“ Elaine verzog die Mundwinkel, sie sah keine großen Erfolgschancen darin. Als hätte die Alte etwas geahnt, sagte sie aufmunternd: „Hab Vertrauen in Deine Fähigkeiten und zweifle nicht zuviel!“ Rialla schnaubte und stupste gegen Elaines Knie: „Siehst Du, das sage ich doch auch immer zu Dir!“ Elaine seufzte, nahm die freie Hand der Kräuterfrau und legte sie sich auf die Stirn. „Jetzt schließ die Augen und denk intensiv an Euch drei!“ forderte Norla sie auf. „Ich sehe nur Schwarz…“, murmelte Elaine schläfrig, …doch Moment mal, ich träume…“ Sie brach ab und ihr Atem wurde tiefer und gleichmäßiger.
Siany setzte sich hinzu und Rialla wies mit dem Finger über den Lippen auf Elaines Ruhephase. Die Alte runzelte die Stirn, gab aber keinen Ton von sich. Nach einem kurzen Moment nahm sie die Hände von Elaines Gesicht und diese erwachte blinzelnd. Inzwischen hatten Siany und Rialla von dem Tee gekostet.
„Schmeckt euch der Tee? Ich habe lange an der Mischung gefeilt.“ Fragte Norla ablenkend. Denn sie wollte nicht zu viel von der Zukunft preisgeben, die sie gerade gesehen hatte. Denn diese entwickelte sich noch, je nachdem, wie sich die Drei für den weiteren Reiseweg entscheiden würden. Sie hatte ja nur eine mögliche Richtung gesehen und diese könnte gefährlich werden, wenn sie sich die Freundinnen trennten. Aber warum sollten sie das tun?
Als Elaine einen großen Schluck nahm, fühlte sie die wohltuende und erfrischende Wirkung. Doch es waren keine Bilder des Traumes, der sich gerade vor ihrem inneren Auge abgespielt hatte, in ihrer Erinnerung geblieben. Schwach nahm sie wahr, das Rialla etwas von dem Tee mitnehmen wollte und fügte hinzu, dass sie noch ein paar andere Kräuter interessant fand. Noch ein Schluck von dem Tee und sie nahm wieder alles völlig klar um sich herum war. Natürlich fielen ihr ein paar Kräuter ein, die sie vorhin zum trocknen in Bündeln von der Decke hängen sehen hatte. Sie unterhielten sich über die Kräuter und Norla bot ihnen Liebestrunk an. Sie lehnten dankend ab und lachten darüber.
Als sie sich verabschiedeten, nahm Norla Elaines Hände noch einmal in ihre und zog sie beiseite. „Ihr werdet noch großartige Abenteuer erleben, und eure Fähigkeiten werden euch schützen. Doch ihr werdet in Kürze auf die Probe gestellt und das Schicksal versucht euch zu trennen. Geht nicht darauf ein, denn allein auf euch gestellt nutzen euch eure noch nicht ausgereiften Fähigkeiten wenig!“
Elaines Hände zitterten ein wenig: „Hast Du das für uns gesehen?“ wollte sie nervös wissen. „Du wirst es bald selber sehen, die Bilder kehren zurück… eher als du denkst!“ Elaine schluckte, drückte die zerfurchten Hände und bedankte sich.
Mittlerweile war es Abend geworden und sie machten sich auf den Weg zu ihrer Verabredung mit Balbus und Benjamin. Im Wirtshaus herrschte eine fröhliche und entspannte Stimmung. Die Tische waren mit kunterbunten Gesellen besetzt und sie fanden etwas weiter hinten einen freien Platz. Sie wurden von einigen Grüppchen aufmerksam begutachtet. Eine Abenteuergruppe, denen noch eine wagemutige Kämpferin im Team fehlte, nahmen Rialla in Augenschein. Fahrende Gaukler machten sich gegenseitig auf Elaine aufmerksam. Die Wirtsfrau war auf der Suche nach einer tüchtigen Hilfe für den lebhaften Betrieb für den Ausschank und Gästeunterhaltung und sah Siany als gute Wahl. Und alle drei wurden kritisch von Rittern aus dem Orden des Königs beobachtet, die in einer dunklen Ecke auf der anderen Seite saßen, da dieser sie ausgesandt hatte um eine gute Partie für seinen Sohn zu suchen. Balbus sah sie an: „Aber dass ist doch nicht schlecht und die Arbeit die euch angeboten wurde klingt doch auch gut. Ich freue mich das Siany in der Stadt bleibt.“ „Oh nein, du verstehst mich falsch, Balbus. Ich habe den Job nur für heute angenommen. Morgen Mittag wollten wir weiterziehen und etwas mehr Geld wird uns sicher nicht schaden. Oder wollt die angebotenen Arbeiten annehmen? Dann spreche ich noch mal mit der Wirtin, bleibe etwas länger und ziehe dann alleine weiter.“ Siany sah ihre Freundinnen forschend an. Elaine schüttelte energisch mit dem Kopf: „Nein, ich bleibe bei euch.“ Rialla setzte hinzu „Ich auch.“ „Wir könnten uns auch alle der Söldnergruppe anschließen und deinen Anteil teilen. In welche Richtung wollen die denn?“ schlug Siany vor. „Egal was wir tun oder welche Entscheidung wir treffen, wir sollten uns auf gar keinen Fall trennen. Denn ich habe das Gefühl, dass dies überhaupt keine gute Idee wäre“, sprach Elaine besorgt noch einmal aus. „Was sollte ich denn auch ohne Euch zwei Verrückten tun. Nur mit Euch gerate ich in so irrwitzige Situationen“, wandte Rialla ein. „Hey“, widersprach Siany, „nur zu dritt kommen wir immer wieder aus den Schlamasseln wieder heraus. Was aber nun die Söldner betrifft, zu welchen Zwecken brauchen die denn eine Kriegerin? Was für einen Auftrag haben sie?’“ „Den Auftrag haben sie vom Prinzen selbst. Das soll aber kein Ritter, geschweige denn der König, wissen“, sie hatte sich vorgebeugt und die zwei Freundinnen ebenfalls, so dass sie ganz leise sprechen konnte und kein anderer ihr Gespräch mitbekam, „die eigentliche Braut ist entführt worden und ein Bote in geheimer Mission hat den Söldnern viel Geld geboten, sie zurück zu holen. Sie sollen zum Schloss kommen und der Prinz gibt ihnen weitere Instruktionen und außerdem einen Vertrauten, der sich ihnen anschließen soll. Sie sollen noch vor dem Fest seine Geliebte befreien, das in einem Monat für ihn gegeben wird, anlässlich seiner Kröhnung!“ „Wenn er sich schon eine Braut ausgesucht hat, die er unbedingt heiraten will, dann wird der König es aber schwer haben, ihm eine Andere auszusuchen“, raunte Elaine. „Vielleicht wollte der König ja nicht, das er diese Frau zur Königin macht“, warf Siany ein. Die Drei sahen sich bedeutungsvoll an. „Wo wollen denn Deine lustigen Wandervögel eigentlich hin?“ wollte Rialla dann von Elaine wissen. „Zum Fest des Königs, sie wurden zur Unterhaltung der Gäste bestellt“, erzählte diese. „Na prima, dann haben doch beide Gruppen den gleichen Weg. Und wenn die Söldner mit den Gauklern reisen, ist es nicht ganz so auffällig, wenn sie sich dem Schloss nähern“, überlegte Siany laut. „So machen wirs“, sagte Rialla abrupt laut, stand auf und ging noch einmal zu den Söldnern an den Tisch. Siany erwiderte Elaines fragenden Blick und nickte. Ohne Worte stand Elaine auf und begab sich zu den Gauklern. „Was denn nu?“, fragte Balbus und Benjamin wunderte sich: “Ihr seid euch aber schnell einig!“ Sorgenvoll wollten sie dann auch wissen: „Reist ihr jetzt etwa getrennt weiter?“ Siany lachte auf: „So schnell bringt uns nichts auseinander!“ Die beiden Gruppen waren einverstanden und fanden die Idee von der interessant zusammen gewürfelten Reisegruppe nicht schlecht. Nachdem Siany ein paar Runden Getränke ausgeschenkt hat und zu lustigen Liedern anstimmte kam gleich Stimmung in die kleine Kneipe. Einer der fahrenden Gauklern setzte sich mit einer Laute dazu und begleitete sie. Ihr froher Gesang und die aufmunternde Musik brachte wieder Leben in die Gäste, so dass Rialla und Elaine die Bedienung übernahmen, da von außen noch Neugierige dazu kamen und die Plätze an den Tischen überfüllten. Die Gaukler und Söldner hatten sich mittlerweile zusammengesetzt und besprachen ihre gemeinsame Reiseroute. So verging der Abend und die Nacht wie im Flug und am frühen Morgen sanken sie erschöpft in die Betten um wenigsten ein paar Stunden Schlaf zu bekommen bevor sie zu dem neuen Abenteuer aufbrachen.
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