Shade Schattenklinge
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Wie ich zu Shade Schattenklinge wurde |
Ich
wollte in die Hafenstadt fliehen. Das Empfehlungsschreiben hatte ich an
meinem Körper versteckt und ich wusste nicht, wie lange ich brauchen würde,
um die Stadt zu erreichen. Unterwegs
schlief ich neben der Straße, verborgen vom Gebüsch. Das Gold in
meiner Tasche ängstigte mich fast ein wenig, doch es gab mir auch
Sicherheit. Bevor
ich die Stadt betrat, von der ich schon einiges gehört hatte, vergrub
ich vor der Stadt, unter einem großen Baum, die Hälfte der Goldstücke,
die ich von der Prinzessin erhalten hatte. Dann machte ich mich auf die
Suche nach meinem zukünftigen Lehrmeister. Ich
betrat eine Taverne. Sie hieß „Fliegende Schwalbe“ und ging zum
Wirt. Der musterte mich und sagte dann: „Bist du nicht ein wenig zu
jung für die Tavernen oder suchst du Arbeit?“ „Ich
suche einen Mann, er heißt Hector.“ „Hector
Bluthand?“ Ich
nickte. „Den
findest du draußen vor der Stadt, zwei Schritt unter der Erde. Er starb
vor einem Monat an den Folgen einer tiefen Wunde.“ Er sah mir meine
Bestürzung an. „Was hast du denn? Hat er dich geschwängert?“ „Nein,
natürlich nicht. Sagt mir Wirt, wo finde ich hier jemanden der mich als
Lehrling aufnehmen würde?“ Er
musterte mich erneut und sagte dann: „Versuch es dort drüben an dem
Tisch in der Ecke.“ Er
deutete mit der Hand in die Richtung. An
dem Tisch saß nur ein Mann. Ein alter Mann. Ich ging zu der Ecke und
blieb vor dem Tisch stehen. Er
sah mich aus wachen Augen an und fragte: „Ja, was willst du?“ „Guten
Tag, ich bin auf der Suche nach einer Lehrstelle und der Wirt sagte, ich
solle euch fragen.“ „Du
suchst in dieser Stadt nach einer Lehrstelle? Wie kommst du darauf?“ „Nun,
mir wurde Hector Bluthand empfohlen, aber wie ich hörte hat er seinen
Lehrbetrieb für immer eingestellt, also suche ich nach anderen Möglichkeiten.“ „Du
wolltest Mörderin werden?“ „Ja,
das hatte ich vor.“ „Ich
bin kein Mörder, ich habe früher junge Leute zu Dieben ausgebildet,
wenn sie mir vielversprechend erschienen.“ „Dann
nehmt mich bitte als Lehrling an. Ich würde gerne von euch lernen.“ „Willst
du nicht lieber etwas anderes werden, Melkerin oder Hausmädchen? Und
warum sollte ich eigentlich ausgerechnet dich wählen?“ „Ich
habe kein Talent für die Arbeit im Haushalt und mein letzter
Lehrvertrag endete mit dem Tod des Kaufmanns der mein Lehrmeister war.
Aber ich habe dies hier.“ Ich
reichte ihm den versiegelten Brief der Prinzessin. Er
warf einen Blick auf das Siegel und zog eine Augenbraue hoch, dann brach
er es auf und las den Brief. Er las ihn noch einmal und lachte dann los.
Als er das nächste mal hochsah, lächelte er mich an. „In Ordnung,
ich versuche es mit dir. Solche Referenzen habe ich vorher noch von
keinem Lehrling bekommen und schließlich habe ich, außer meinem Ruf
nichts zu verlieren.“ Er reichte mir die Hand und sagte: „Mein Name
ist Gebhard Nimmviel und du bist ...“ „Talida,
aber ich werde Shade genannt.“ „Also
Shade. Wir versuchen es erst mal für einige Zeit und sehen ob du Talent
hast. Falls nicht, helfe ich dir eine andere Stelle zu finden.“ So
kam ich an meine erste Lehrstelle. Ich blieb ein Jahr lang bei Gebhard
und er lehrte mich viele Dinge. Taschendiebstahl, Schlösser knacken,
Geheimmechanismen öffnen, Fallen entschärfen – er musste zugeben,
dass ich das größte Talent hatte, das ihm bis jetzt begegnet war. Nach
diesem Jahr reichte er mich an einen seiner Freunde, Morten Kaltherz,
weiter und ich wurde doch noch in die Welt der Mörder eingeführt. Ich
lernte den Umgang mit einigen Waffen, das Mischen von Gift, das
Herstellen von Gegengift und viele geheime Techniken. Es
war keine leichte Zeit. Morten brachte mir die Wirkungsweisen der Gifte
bei, indem er sie mir verabreichte und mich dann das Gegengift mischen
ließ. Obwohl er mich nicht umbrachte, verursachte seine Methode einige
Schmerzen und einmal sah ich sogar eine Woche lang Trugbilder. Auch das
Waffentraining erforderte ständige Aufmerksamkeit, weil er mich
manchmal von hinten ansprang und ich mich unvorbereitet gegen ihn wehren
musste. Aber ich schaffte es bald, weitere Narben zu vermeiden und
schwang mein Schwert, als ob ich nie etwas anderes getan hätte. Meine
vorherige Ausbildung half mir sehr, denn ich konnte bereits ebenso gut
Schleichen wie mein Lehrer. Gebhard unterrichtete mich gelegentlich
weiter und so hatte ich, nach zwei Jahren und zwei Dritteln, zwei Berufe
erlernt. Meine
Meister veranstalteten eine kleine Abschiedszeremonie in der
„Fliegenden Schwalbe“ für mich. Ich erhielt das Zeichen der Mörder,
eine Kette mit einem goldenen Dolch als Anhänger, und das Zeichen der
Diebe, einen Namen der meine Fähigkeiten beschreiben konnte. Er wurde
traditionell vom Meister ausgewählt. Gebhard
räusperte sich und sagte dann: „Wir haben zusammen überlegt und sind
uns schließlich einig geworden. Du schleichst leise wie ein Schatten
und bist so geschickt mit dem Dolch das selbst dein Opfer einige Zeit
braucht um festzustellen dass es tot ist, deshalb werden wir dir den
Zunamen Schattenklinge geben.“ Morten
hieb mir seine Hand auf den Rücken: „Also Shade Schattenklinge, was
wirst du nun tun?“ „Ich
hatte vor auszutrinken, ein Pferd zu kaufen und mir dann die Welt
anzusehen. Aber vorher spendiere ich meinen alten Lehrmeistern noch ein
paar Krüge Bier.“ Kein
Wunder, dass sie von meinen Zukunftsplänen begeistert waren. Am nächsten Morgen wankten wir zu Gebhards Haus und ich packte meine Sachen. Noch vor dem Mittagessen machte ich mich auf den Weg zum Pferdehändler, kaufte ein braunes Pferd und verließ die Stadt. Einen
Monat später hatte ich die Tasche voller Gold. Ich hatte hier und dort
etwas mitgehen lassen und ich hatte einer wohlhabenden Frau ihren prügelnden
Gatten vom Hals geschafft. Ich beschloss mir etwas Luxus zu gönnen und
verbrachte die nächste Nacht im besten Zimmer eines guten Gasthauses. Die
Wirtin schenkte mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und servierte mir
etwas besonders gutes zum Abendessen. Sie hungerte nach Klatsch und
setzte sich ungefragt zu mir, um die neuesten Neuigkeiten zu erfahren.
Da ich mit Kauen beschäftigt war, redete sie aber viel mehr als ich. Ich
hörte ihr mit einem Ohr zu, bis sie auf einmal sagte: „...und seitdem
hat man die Prinzessin nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hat ihr Vater
etwas zu verbergen an ihr, warum auch nicht, sie soll ja ein hübsches Mädchen
sein, ich persönlich habe sie natürlich noch nie gesehen, aber wenn
sie schwanger ist kann er sie nicht mehr verheiraten, nicht dass er
das...“ „Was?“
Ich würgte den riesigen Bissen Fleisch hinunter „sprecht ihr von der
Prinzessin des Nordreichs, Agnes Mechthild und so weiter?“ „Ja,
ihr Vater hält sie versteckt und es heißt, sie wäre im Turm
eingesperrt worden.“ „Eingesperrt?
Das ist ja interessant.“ Ich legte das Fleisch hin und wischte mir den
Mund an der Serviette ab. „Entschuldigt mich, aber ich bin müde und
will morgen früh weiter.“ Ich
beschoss sofort ins Nordreich zu reiten und nachzusehen ob Tune meine
Hilfe brauchte. Ich hatte nicht vergessen was sie mir über ihren
„goldenen Käfig“ erzählt hatte und ich wollte ganz sicher nicht,
dass sie darin verrottete. Sechs Tage später war ich dort. Ich
sah mich genau in der Stadt um, dieses mal mit den Augen einer Diebin.
Ich ging durch die Straßen und erkundigte mich unauffällig nach der
Situation der Prinzessin. Viel wussten die Bewohner nicht, aber ich
machte mir mein eigenes Bild. Sie saß wirklich fest. Ich bereitete
alles vor. Als ich einen
Platz vor der Stadt suchte um die Pferde zu verstecken, ich hatte
inzwischen ein zweites gekauft, traf ich auf eine Gruppe Zigeuner. Ich
beobachtete sie von weitem, aber einer entdeckte mich. Er schlich sich
von hinten an mich heran und fragte dann laut: „Wen haben wir denn
hier?“ Ich
sprang auf: „Hallo, mein Name ist Shade. Ich sehe mich nur etwas
um.“ „Mein
Name ist Vasco.“ Er musterte mich „Du kannst mit ins Lager kommen,
wenn du Lust hast.“ Ich begleitete ihn und er fragte: „Darf ich
fragen wonach du gesucht hast? Ich beobachte dich schon einige Zeit.“ „Ich
suche nach einem Versteck für zwei Pferde.“ Ich machte das geheime
Zeichen der Räuber und er reagierte darauf. „Ah
du willst wohl etwas großes stehlen. Siehst nicht aus wie ein Räuber,
hast du einen Namen?“ „Schattenklinge.“ „Ah,“
er überlegte und stellte dann fest, „ich habe noch nie von dir gehört.“ „Die
Meister gaben ihn mir erst vor einem Monat. Ich hab noch nicht viel
gemacht, aber du hast recht, ich plane einen großen Fischzug.“ „Nun,
mein Name ist ...“ „Vasco
Schleichkater. Ich musste alle auswendig lernen die Gebhard bekannt
waren. Sag mal, kennst du die Prinzessin?“ Wir
waren inzwischen im Lager angekommen und setzten uns auf eine Decke nah
am Feuer. „Du
warst bei Gebhard Nimmviel in der Lehre? Dann musst du wahrlich gut
sein.“ Er wirkte beeindruckt. Dann fügte er hinzu: „Natürlich
kenne ich die Prinzessin, wir führen immer Kunststücke im Schloss vor
und bieten dem König traditionsgemäß unsere Waren zur ersten Wahl
an.“ Er sah sich um: „Außerdem ist sie eine Freundin der
Zigeuner.“ „Sie
ist auch meine Freundin, sie hat mir das Leben gerettet. Ich will Tune
besuchen und sie befreien, falls sie das möchte. Deshalb suche ich ein
Versteck für die beiden Pferde.“ „Oh,
nun ich kann dir ein gutes Versteck zeigen. Soll ich dir irgendwie
helfen?“ „Wann
zieht ihr weiter?“ „Morgen.“ „Dann
warte ich noch einige Tage, damit ihr nicht mit der Entführung in
Verbindung gebracht werdet.“ Vasco zeigte mir den perfekten Platz um die Pferde zu verstecken. Er lag sogar in der Nähe des Geheimgangs. Ich verbrachte die nächsten Tage damit das Schloss zu beobachten und fragte betrunkene Dienstboten aus. So erfuhr ich dass Tune nicht im Turm, sondern ihn ihrem eigenen Zimmer festsaß und nur eine Wache vor der Tür stand. Am späten Abend zog ich meine enganliegende dunkelbraune Diebeskluft an und schlich, durch den Geheimgang, ins Schloss. Bis
auf die Wache begegnete ich niemandem. Der Mann saß auf einem Stuhl
neben Tunes Zimmertür und nickte ab und zu ein. Ich zog einen Giftpfeil
aus meinem Haar und steckte ihn in das Blasrohr. Ich traf ihn am Hals
und er sackte sofort vornüber und fiel vom Stuhl. Ich sah mich noch mal
um und schlich dann zur Tür. Ich klopfte an und stellte mich dann neben
die Tür. Nach einigen Sekunden hörte ich ein „Herein“ und ich öffnete
die Tür und trat schnell ein. Tune
war sofort bereit mich zu begleiten. Sie suchte die Sachen zusammen, die
sie mitnehmen wollte und schrieb einen Abschiedsbrief an ihre Eltern,
dann folgte sie mir nach draußen. Wir
setzten den Wachmann auf den Stuhl und es sah aus, als ob er im Dienst
eingeschlafen war. Unterwegs und vor allem in dem schmalen Geheimgang,
fluchte Tune ständig vor sich hin, weil ihre Kleidung ihr im Weg war.
Wir liefen die paar hundert Schritt bis zu dem Wäldchen, in dem ich die
Pferde versteckt hatte, stiegen auf und entfernten uns so schnell wie möglich
vom Schloss. Ich
bot Tune an mich weiter zu begleiten, war aber überrascht als sie das
Angebot annahm. Vasco hatte mir erzählt, dass sie eine gute Bogenschützin
war und ihr musikalisches Talent war allgemein anerkannt. Wahrscheinlich
würden wir nur selten auf meine Fähigkeiten zurückgreifen müssen, um
über die Runden zu kommen, wenn wir zusammen blieben. Ich
war gespannt wie es sich wohl mit einer Prinzessin reisen ließ. Ich sah
sie an und stellte fest, dass sie lächelnd im Sattel saß und sich die
Welt ansah. Ich sah den Dolch in ihrem Stiefel stecken und musste
grinsen. Der Bogen über ihrer Schulter und das rosafarbene Kleid
passten auch nicht besonders gut zusammen, aber es sollte doch keine
Schwierigkeit für Shade Schattenklinge sein, einfache Kleidung in der
richtigen Größe zu besorgen. Vielleicht würde ich sie sogar kaufen.
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