Ferlitfal und Dascal

Vorabversion!

In solchen Momenten fragte er sich, was er da eigentlich tat. Was trieb ihn dazu, seine Zeit mit dieser merkwürdigen Frau zu verbringen? Sie war nicht schön, sie konnte nicht Kochen, sie redete die ganze Zeit, sie konnte mit keiner Waffe umgehen und sie machte ständig Schwierigkeiten. Er beobachtete sie. Sie saß schief auf dem Pferd und machte nicht den Eindruck, dass sie bestimmte, wo entlang es laufen sollte. Sie war sehr schlank, bewegte sich aber nicht elegant, ihre Stimme war hoch und wenn sie summte traf sie keinen Ton. Ihre Haare waren dünn, blond und schulterlang und sie hingen ihr meist glatt ins Gesicht. Ihre Zähne, hinter den dünnen Lippen, waren schief und ihre Haut nicht besonders rein, aber irgendwie hatte sie ihren eigenen Charme.

"Wir sind bald da. Ich freue mich schon meine Freundin wieder zu treffen. Du wirst sie bestimmt mögen, sie kann gut Kochen."

"Wo wohnt sie?"

"Im Wald."

"Geht das auch etwas präziser? Der Wald bedeckt fast das ganze Mittelreich."

"Ungefähr in der Mitte zwischen Birkenhain und Danolar."

"Dann lass uns etwas schneller Reiten."

"Ist gut."

Dascal überholte Ferlitfal und stieß seinem Hengst die Hacken in die Seiten. Ferlitfals Stute passte sich seinem Tempo an und Ferlitfal versuchte, nicht von ihrem Rücken zu rutschen. Jeder Schritt stieß sie im Sattel hin und her und sie bemerkte, dass Dascal, wenn er sich umsah oft den Kopf schüttelte. Offensichtlich wunderte er sich über ihre schlechten Reitkünste. Ferlitfal seufzte.

Dascal zügelte seinen Hengst und meinte: "Wenn ich dich so ansehe, denke ich, wir reiten doch besser langsam weiter."

"Ich danke dir." Ferlitfal war erleichtert. Während sie weiter der Straße folgten, sang sie leise vor sich hin und Dascal hing seinen Gedanken nach. Er überlegte was er in seinem Leben noch erreichen wollte. Er wollte nicht mehr als Söldner arbeiten und ständig hin und her ziehen.

Eine Frau zu finden wäre nicht schlecht und vielleicht ein Haus. Die grünen Hügel schienen ein netter Ort zu sein, um sich niederzulassen. Sobald er Ferlitfal bei ihrer Freundin abgeliefert hatte, würde er sich wieder auf den Weg machen, um nach der Frau zu suchen, die ihm in seinen Träumen begegnet war. Er musterte Ferlitfal noch einmal.

Hätte man ihn vor einem Jahr gefragt, wie die Frau seiner Träume aussah, hätte er sicher gesagt schlank, blond, blauäugig, brav und elegant, aber in letzter Zeit träumte er ständig von einer molligen Brünetten mit grünen Augen und einem schelmischen Lächeln. Doch merkwürdigerweise faszinierte ihn das Wesen von dieser dünnen ungeschickten Frau vor ihm. Er seufzte.

"Dascal, wir sind gleich da. Riechst du das Feuer?" Ferlitfal trieb ihr Pferd an und fiel vor einer kleinen Hütte davon hinunter. "Autsch!"

Dascal sprang elegant vom Pferd und reichte ihr seine Hand.

"Ich danke dir." Etwas verbittert fügte sie hinzu: "Mal wieder."

Als Dascal an die Tür klopfen wollte, öffnete sie sich: "Hallo ihr beiden, kommt doch herein."

Eine mittelgroße, mittelblonde Frau mit grauen Augen lächelte sie an.

Ferlitfal erwiderte: "Danke Branwren, du kannst dir gar nicht vorstellen wie froh ich bin dich zu sehen. Dascal, das ist meine Freundin Branwren. Sie ist Seherin."

"Und Hexe, ich sehe dass du mich deshalb nicht verurteilen wirst. Ich habe Tee gekocht, setzt euch an den Tisch. Ich gebe euren Pferden etwas Wasser."

Branwren verschwand und Dascal bemerkte: "Du hast mir nicht gesagt, dass sie eine Hexe ist."

"Du hast mich nicht gefragt."

"Hm, na ja. Bleiben wir über Nacht?"

Ferlitfal nickte.

"Dann werde ich nachher unser Lager aufschlagen und ihr könnt euch ungestört unterhalten oder was auch immer sonst ihr machen wollt." Er lächelte sie an und sie lehnte sich entspannt zurück.

Nach dem Tee verschwand Dascal nach draußen und Branwren fing an zu Lachen. Ferlitfal grinste und sagte: "Ja, lach du nur, aber für mich ist es nicht so komisch, ich kann kaum noch etwas und sieh dir an wie ich aussehe."

"Wie eine Vogelscheuche nach einem harten Winter." Branwren liefen die Tränen über das Gesicht. "Erzähl mir wie es dazu kam. Ich war zu der Zeit mit etwas anderem beschäftigt."

Ferlitfal griff nach ihrem Becher, stieß ihn um, seufzte und begann zu berichten: "Eine Frau bat mich um Hilfe, weil ihr Geliebter krank war. Es stellte sich heraus dass er von seiner Ehefrau aus Eifersucht vergiftet worden war. Ich ahnte davon nichts und heilte ihn. Sie fand mich bei ihm, dachte ich wäre die Geliebte und verfluchte mich. Ein mieser Zauber, sie wollte einen Fluch auf mich legen "aus Leben werde Tod" oder so ähnlich und heraus kam ein totaler Gegensatzfluch. Als sie bemerkte, dass ihr Fluch nicht die gewünschte Wirkung hatte, schickte sie mir einen Mörder auf den Hals. Dascal rettete mich."

"Und dann bemerkte er, dass du alleine nicht klarkommst und hat dich bis hierher begleitet?"

"Na ja, so in etwa. Ich finde ihn sehr nett und er sieht blendend aus, aber er hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er mich überhaupt nicht anziehend findet. Ich habe keine Ahnung warum er mich überhaupt begleitet."

"Aber ich." Branwren lächelte ihr "ich weiß alles - aber verrate nichts Lächeln" und Ferlitfal wusste, dass Fragen sie nicht weiterbringen würden.

"Ich kann dir helfen. Es wird noch nicht einmal lange dauern. Diejenige welche dich verflucht hat ist nicht gerade eine Meisterhexe."

Ferlitfal wurde rot: "Sie hat mich in einem schwachen Moment erwischt. Der Mann war halbtot und ich brauchte viel Energie um ihm zu helfen. Heilen ist nicht grade meine Stärke."

"Ich weiß. Komm zum Feuer." Branwren warf noch einige Holzscheite in das Feuer, das daraufhin hell aufloderte. Sie lachte noch einmal: "Du siehst so lächerlich aus."

Ferlitfal antwortete gequält: "Ich weiß, bitte Branwren."

Branwren konzentrierte sich und das Feuer erlosch.

Dascal hatte vor dem Haus ein kleines Lagerfeuer entzündet und die Decken ausgerollt. Als die Tür aufging glaubte er zu träumen. Vom Licht des Lagerfeuers angeleuchtet, stand dort seine Traumfrau. Fast so groß wie er, kurvig mit braunen, lockigen Haaren und grünen Augen. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, wölbten sich ihre vollen Lippen zu einem bezaubernden Lächeln und dann fing sie an zu Lachen. Bei diesem Geräusch sah die Stute auf und wieherte fröhlich ihrer verloren geglaubten Herrin entgegen. Die Frau ging an Dascal vorbei und setzte sich ans Feuer. Er drehte sich um und starrte sie weiter an. Sie griff in Ferlitfals Rucksack und zog einen Dolch hervor. Das erweckte Dascal aus seiner Trance: "He, das sind Ferlitfals Sachen. Lass deine Hände davon."

Mit einer atemberaubenden Stimme und gerunzelter Stirn antwortete das Traumwesen: "Ich bin Ferlitfal oder hast du sonst noch jemanden in die Hütte gehen sehen?"

"Ich kenne Ferlitfal und du bist nicht Ferlitfal."

"Hör zu, ich will mich nicht mit dir streiten. Stell mir eine Frage, die nur ich beantworten kann."

Dascal überlegte: "Wie oft bist du gestern vom Pferd gefallen?"

Ferlitfal erschauerte: "Fast jedes Mal wenn wir die Gangart gewechselt haben und die blauen Flecke blieben mir erhalten." Sie überlegte: "Beim Aufsteigen bin ich auf der anderen Seite vom Pferd gefallen, wenn das mitzählt, waren es acht mal."

In diesem Moment trat Branwren vor die Tür: "Dascal glaub mir, das ist Ferlitfal. Ich habe den Fluch von ihr genommen und sie sieht nun wieder genau so aus, wie als ich sie vor zwei Monaten das letzte Mal gesehen habe."

"Ich bitte euch, lasst uns morgen reden. Die Fluchloswerdeaktion hat mich unheimlich erschöpft. Ich will jetzt endlich schlafen." Ferlitfal wickelte sich in ihre Decke und schlief ein.

Als sie erwachte saß Dascal vor ihr und starrte sie an.

"Guten Morgen Dascal."

"Morgen, ich kann es immer noch nicht fassen."

"Findest du die Veränderung gut oder …?"

"Gut, seht gut, perfekt vom Äußeren her zumindest."

"Na vielen Dank, dass ist was alle Frauen sich wünschen."

"Versteh mich nicht falsch, aber ich finde dich etwas tollpatschig."

"Du kennst mich doch kaum."

"Du bist in den letzten drei Tagen mindesten zwanzig Mal hingefallen und du…"

"Und ich bin jedes Mal wieder aufgestanden. Du musst mich nicht begleiten Dascal, ich kann nun auch allein in mein Dorf zurückkehren. Meine Fähigkeiten kamen zurück als der Fluch ging."

Sie brachen das Lager ab und verabschiedeten sich von Branwren. Dascal beobachtete Ferlitfal und er fasste einen Entschluss: "Ich begleite dich gern noch ein Stück, aus wenn es dir nichts ausmacht."

"Es macht mir ganz und gar nichts aus, ich bin gern mit dir zusammen und ich schulde dir ein Leben. Mein Haus steht dir offen."

"Nun gut, dann machen wir uns auf den Weg dahin. Wo liegt denn dein Haus?"

"Im Nordreich, in den grünen Hügeln."