Die Elfe und der Tod

 

Kälte hatte mein Herz schon vor langer Zeit gefrieren lassen. Ich ließ es zu dass meine Freunde verschwanden und nun musste ich diese Last der Einsamkeit für den Rest meines Leben tragen.

Nachts hörte ich Stimmen die im Wind wispern: „Leiste uns Gesellschaft, komm, komm.“ Und es gab nur eins was mich davon abhielt, mich dem Tod zu stellen.

Ich war die Hüterin eines Kleinods das für die Welt noch wichtig sein könnte. Ich wartete auf den Tod und hoffte er käme bald.

„Das Leben ist kein Lied, es ist ein Traum auf dem Weg zum Tod.“ sagte einst mein Liebster, bevor er in meinen Armen starb. Er war alt geworden, vergesslich, faltig und hinfällig, doch ich hatte ihn bis zum letzten Moment geliebt. Für mich war ewige Jugend ein Fluch. Doch bald könnte ich ihn überwinden.

 

Auf einmal hörte ich ein Geräusch vor der Tür. Ich stand auf und lauschte. Ein wunderschöner, klagender Gesang ertönte und es hörte sich an als würde er das Haus umwehen. Sollten die alten Geschichten von den Banshees doch stimmen? Dann war der Zeitpunkt meines Todes nahe. Ich ging zum Schrank und griff nach dem Dolch. Ich war vorbereitet.

 

Der Tod war immer ein grausamer alter Mann gewesen. Ich hatte nie verstanden wie die Göttlichen Drachen ihm so viel Macht übertragen konnten. Es hatte nie so viele ruhelose Seelen gegeben, wie in den letzten 100 Jahren, in denen er umging. Doch ich würde diesem Übel ein Ende setzen. Mein Dolch, gehärtet in Einhornblut würde den Tot verwundbar machen. Durch dieses Blut würde er sterblich werden und den Schrecken des Alterns am eigenen Leibe erleben.

Ich stellte mich mit dem Messer hinter dem Rücken vor der Tür auf und beobachtete wie sie geräuschlos aufschwang. Doch nicht der hässliche, alte Tod, sondern zwei junge Frauen traten ein und lächelten mich an. Die eine sagte: „Du bist eine Elfe, deshalb kannst du uns sehen. Wir sind gekommen um deine Seele zum Winddrachen zu geleiten.“

„Wer seid ihr? Wo ist der Tod?“ fragte ich entgeistert.

„Wir sind der Tod.“ Die Stimme der blonden Frau füllte die ganze Hütte aus.

„Ich habe dem Tod in die Augen geblickt und er ist ein alter Mann.“

Die dunkelhaarige Frau grinste: „Nein, er ist ein toter Mann.“

„Der Tod ist tot?“ fragte ich entsetzt.

„Du scheinst enttäuscht.“ stellten sie überrascht fest.

„Wer hat ihn getötet?“

„Ich.“ antwortete die Dunkelhaarige.

„Aber das kann nicht sein. So lange habe ich gewartet.“ Mein ganzer Plan fiel in sich zusammen.

„Wir wissen es. Du wirst erwartet.“

„Warum willst du sterben? Kannst du deine ewige Jugend nicht genießen?“ fragte die Blonde.

„Ich habe sie schon genossen und jetzt bin ich ihrer überdrüssig. Meine besten Freunde waren Menschen und sie starben im Kampf. Jene die den Kampf überlebten starben bald darauf auf Grund ihres Alters. Der Mann, der mein Herz in Händen hielt, starb vor zwei Jahren, ebenfalls als alter Mann. Jedes mal lachte der Tod mir ins Gesicht. Mit der Zeit hasste ich ihn.“

„Seine Seele wird nicht wiedergeboren werden. Ignis vernichtete sie.“

„Es wird Zeit, oder hast du es dir anders überlegt?“

„Nein. Ich möchte zu meinen Freunden. Schon seit einem halben Jahr lebe ich als Sterbliche.“

Ich ging zum Schrank und holte die Phiole. Sie war aus dunkelgrünem Glas gefertigt und mit einem goldenen Rankenmuster verziert.

Ich hatte tagelang Kräuter gesammelt, gestampft und gekocht um dieses Elixier herzustellen nun trat ich vor die Tür und ging, an meinem Garten vorbei, in den Wald. Ich suchte mir eine trockene Stelle und setzte mich auf den Boden. Dann leerte ich die Phiole in einem Zug und legte mich hin.

Das Gift begann zu wirken. Ich spürte wie meine Beine taub wurden und bald konnte ich auch meine Hände nicht mehr bewegen. Dann hörte mein Herz auf zu schlagen. Der Schatten reichte mir eine Hand und ich ergriff sie. Ich warf einen Blick auf meinen Körper.

„Wir werden dich begraben. Hier neben deinem Geliebten.“

„Ich danke euch. Seid vorsichtig mit dem Dolch. Er macht fast alles und jeden sterblich.“

Das Lied und der Schatten legten je eine Hand auf ihre Herzen und im nächsten Moment standen wir auf einem Berggipfel. Die beiden verabschiedeten sich von mir und ließen mich mit dem Winddrachen allein.